Nach dem Erfolg der Spanier habe ich dann einem spanischen Freund per SMS geschrieben, ob er auch brav feiert. Ich hätte schwören können, er hätte bei vergangenen Länderspielen zu den Spaniern gehalten – offensichtlich aber nicht dieses Mal. Denn er meinte nur: „Ich habe nichts zum Feiern, ich bin Katalane.“
Ich musste schon ordentlich grinsen, als ich das las und meinte: „Na, bist Du auf einmal zum Nationalisten geworden?“ Seine trockene Antwort: „Ich bin Katalane, kein Nationalist!“ :-) Und das, obwohl einige zentrale Spieler der spanischen Nationalmannschaft Katalanen sind. Im Übrigen sollen auch einige Basken im Finale zu den Deutschen gehalten haben.
So erhielt ich mal wieder einen kleinen Einblick in die innerspanischen Konflikte, die mit unserer Folie nur schwer zu verstehen sind. Daher ärgerte ich mich auch ein wenig über einen Bericht im heute-Journal, in dem aus der Tatsache, dass doch einige Katalanen in Barcelona gefeiert haben, Parallelen zu Deutschland und dem Aufkommen des Fahnen-Schwingens bei der WM gezogen wurden. So ganz lässt sich das wohl nicht vergleichen – auch wenn mich der Regionalpatriotismus in Katalonien und dem Baskenland schon ein wenig nervt.
Einige spannende Artikel zu dem Thema:
Spiegel: „Spanisches Nationalteam: Harmonie statt Hass“
Spiegel: „Spanien feiert Fußball-Einheitsfieber“
Welt: „Mit Katalanen ins Finale“
Welt: „Mallorcas spanische Erweckung“
Tagesspiegel: „Geheilte und geteilte Nation“
Also beim Feiern waren die Spanier auch in Wien ganz groß. Hab sogar einige Fotos gemacht von den Fans. Kannst dir auf meinem Blog ja mal anschauen.
hey, cool, bist du wieder mit dabei beim bloggen! das freut mich aber!
Hallo, das Thema Sprachenstreit in Spanien interessiert mich schon seit längerem, da ich auch einige Freunde in Katalonien habe. Erst kürzlich gab es dazu wieder eine Kostprobe bei dem Konflikt zwischen Air Berlin und der Regierung der Balearen. Es ging um die Frage, ob auf Flügen von Air Berlin die Ansagen auch auf Katalanisch erfolgen sollten. Im Bordmagazin hatte sich daraufhin Hr. Hunold, der CEO von Air Berlin, in einer Art Glosse über die Sprache Katalanisch und die „Kleinstaaterei“ lustig gemacht. Die Konsequenzen kann man sich vorstellen.
Aber etwas anderes war fast noch typischer – ich weiß nicht, ob das in Österreich auch so ist: Es ist immer wieder erstaunlich und erschreckend wie von deutschen Medien und Leserbriefschreibern bei diesem Thema regelmäßig und unreflektiert, und manchmal völlig irrational auf die Katalanen eingedroschen wird.
Ich kann mir das eigentlich nur so erklären: der durchschnittliche deutsche Spanienreisende hat wohl unbewußt ein Spanienidyll verinnerlicht das geprägt wurde von den Großeltern mit den Schlüsselworten „Legion Condor“, „Blaue Division“ und der franquistischen Propaganda der 60er Jahre: Spanien ist schön, in Spanien leben alle glücklich miteinander und Spanisch ist die einzige Sprache; und der liebe Onkel Franco meint es gut mit den Urlaubern und allen seinen Landeskindlein, auch wenn er manchmal halt ein bißchen streng sein muß.
Zwar ist der liebe Onkel Franco schon lange tot, aber es paßt einfach immer noch nicht in unser Spanienbild, wenn irgendwelche vermeintlichen Hinterwäldler behaupten, man hätte sie nur immer gezwungen spanisch zu lernen, aber an sich sei das gar nicht ihre Muttersprache. Und der geflissentlich spanisch-lernende Deutsche ist dann wohl erschüttert und völlig verstört, wenn er dann auf Malle wegen seines Spanischs vielleicht blöd angemacht wird. –
Ja, diese Einheimischen sind einfach eine Pest! Egal wo man hinkommt auf der Welt: es gibt einfach immer noch zu viele Einheimische!
Wo Sprache über Jahrhunderte als Herrschaftsinstrument gebraucht wurde, muß man sich nicht wundern, dass dann wenn die Repressionen weggefallen sind, die Unterdrückten geneigt sind, sich ihre Kultur und Sprache wieder zurückzuerobern. Der Onkel Franco und alle seine Vorgänger hatten ja schon ihre Gründe, Katalanisch zu verbieten.
Ich würde mir in der Öffentlichkeit, speziell in der deutschen, einmal eine genauere Betrachtung der jüngeren spanischen Geschichte wünschen, die ja auch mit der deutschen Geschichte verbunden ist:
1. Der liebe Onkel Franco war garnicht der nette ältere Herr, ein bißchen streng vielleicht und mit einem Faible für Uniformen, sondern nach Stalin und Hitler der dritterfolgreichste Massenmöder in der jüngeren europäischen Geschichte.
2. Nazi-Deutschland hat maßgebend dazu beigetragen, dass er an die Macht kam. Deutsche Flugzeuge haben katalanische Städte bombardiert und Katalanen saßen in unseren KZ´s (Mauthausen, daher auch der schnelle und beliebte Griff zur „Nazi-Keule“ in der katalanischen Politik).
3. Der spanische Bürgerkrieg war bezogen auf Katalonien praktisch kein Bürgerkrieg. Es gab natürlich auch in Katalonien eine nationalspanische Fraktion, aber die spielte nicht wirklich eine Rolle, vielmehr hat das Land geschlossen gegen die spanischen Nationalisten, gegen Franco, sein Spanien und gegen die Faschisten gekämpft und wurde hinterher entsprechend wie ein besetztes Land verwaltet mit dem Ziel der totalen Hispanisierung. Übrigens haben an der Seite der Katalanen auch eine ganze Menge Deutsche und sicher auch Österreicher mitgekämpft, die man bei uns wenn überhaupt aber auch nur als Verräter in Erinnerung hat, oder gibt es irgendwo ein Denkmal? Hat irgendjemand je versucht, ihre Gebeine zu finden und sie zu beerdigen? Wohl kaum, lieber hat man Kasernen nach „Helden“ der Legion Condor benannt!
4. Ich finde, jeder der sich zu dem Thema äußert, sollte sich grundsätzlich einige Fragen stellen:
– Wer bestimmt eigentlich, was ein Land, ein Staat und was nur eine Region ist?
– Wer hat eigentlich das Recht, darüber zu bestimmen?
– Warum ist „Separatist“ eigentlich ein Schimpfwort?
– Warum reden die Medien manchmal von Freiheitskämpfern und manchmal von Separatisten?
– Kann man jemand zum Vorwurf machen, dass er nicht Spanier sein möchte?
– Kann man in eine demokratische Verfassung den Satz einfügen „Die Armee ist der Garant der Einheit des Landes“? (steht so oder so ähnlich in der spanischen Verfassung)
– Kann man per Verfassung das Erlernen einer Sprache zur Pflicht machen (in diesem Fall des Spanischen)?
Spanien ist eben nicht das Urlaubsidyll, das der bierbäuchige Deutsche sich erträumt, sondern ein zutiefst gespaltenes Land, gespalten zwischen ewiggestrigen Prostfranquisten, die partout nicht von der spanischen „Reichsidee“ ablassen können, die sich immer noch weigern die Verbrechen der Franquisten einzugestehen, die sich weigern, die Täter zu benennen und die Opfer zu rehabilitieren oder sie auch nur aus den Straßengräben zu holen, um sie anständig zu begraben.
Ewiggestrige, die z.B. an einem Nationalfeiertag festhalten, der früher auch „dia de la raca“ oder „dia de la hispanidad“ genannt wurde, und an die Entdeckung Amerikas erinnern soll, jedes Jahr mit eine Militärparade! Ohne die Parteien Kataloniens, und die anderen „separatistischen“ Parteien hätte diese Rechte in Spanien eine absolute Mehrheit. Jeder sollte also auch ein bißchen dankbar sein, dass es diese liebenswert verschrobenen Katalanen und Balearen und wie sie alle heißen gibt. Denn ein Spanien indem wieder nur „Arriba Espana!“ gerufen wird will sicher keiner von uns besuchen.
wow, das ist wohl das längste posting, das ich je erhalten habe. ;-) aber auch ein unheimlich spannendes, zu dem ich einiges ergänzen kann.
Zwar war ich als Kind nie Spanien-Urlauberin, aber trotzdem musste ich mich selbst bei der Nase nehmen wegen meines Unwissens, das ziemlich viel aussagt über das, was Sie hier schreiben: Erst durch besagten Freund lernte ich vor wenigen Jahren, dass Mallorca eine katalanische Insel ist und die einheimische Sprache eigentlich Katalanisch ist. Dass mir das bis dahin unbekannt war, machte mich stutzig. Und das Lernen hörte nicht auf.
Zugleich mit diesem katalanischen Freund lernte ich einen Basken kennen und da ein deutscher Freund von mir noch dazu zu der Zeit in Spanien lebte, wurde mir von diesen drei Leuten ein Verständnis für Spanien ermöglicht, das mich nach wie vor sehr prägt. So lernte ich bei einer Reise, dass Guernica auch Gernika heißt und dass DAS Symbol für Faschismus zugleich auch ein Symbol für den baskischen Konflikt ist. Denn wer weiß schon, dass jenes Gernika, das Franco mit Hilfe der Nazis bombardieren ließ, die heilige Stadt der Basken ist? Und dass die Auswahl gerade dieser Stadt daher auch alles andere als zufällig war, immerhin waren die Basken erbitterte Gegner von Franco.
Allein diese paar Punkte sind schon sehr hilfreich bei der Annäherung an das Thema Spanien, Nationalismus und Sprachenstreit. Denn ein Hintergrund für die Konflikte ist eben jener spanische Nationalismus von Franco, der erbittert alles bekämpfte, was davon abwich. Zwar wird heute nicht mehr mit Waffen gekämpft, nichts desto trotz wird unter der Fahne des spanischen Nationalismus nach wie vor gegen die regionalen Abweichungen gekämpft. Wenn man das im Kopf behält, sieht die Sache schon ein bisschen anders aus.
Vielleicht liege ich auch falsch damit, wenn ich meine, dass der Vergleich „Deutsche haben bei der WM ihre Fahne entdeckt und das Gleiche passiert nun in Spanien“ schwierig ist. Natürlich gibt es Parallelen:
– Es geht um die Frage, wie die Teile des Staates miteinander versöhnt werden können, in Deutschland Ost und West und in Spanien die Regionen?
– Warum es mit der Fahne ein Problem gibt, hat historische Gründe. Mein katalanischer Freund meinte gar, dass er die spanische Fahne gar nicht akzeptieren kann, weil sie eine Franco-Fahne ist… Auch das ist ein spannender Aspekt, target=“_blank“>hier mehr Infos dazu.
– Auch ging es in Deutschland darüber hinaus auch darum, ob Deutsche nach 2. Weltkrieg und Nationalsozialismus so etwas wie Nationalstolz haben dürfen. Auch das vielleicht in Bezug auf Spanien keine so falsche Frage, denn auch dort ist der Nationalstolz durch das Franco-Regime instrumentalisiert worden, wenn auch nicht in der mörderischen Dimension wie von den Nazis.
So, jetzt habe auch ich einen Roman geschrieben, hoffe aber, dass die Diskussion trotzdem weiter geht…
Heute im Netz gefunden: ein Link bezüglich Kriegserinnerung im heutigen Katalonien.
Mein katalanisch ist leider nicht so gut, dass ich alles verstehe, aber es ist auch die Rede von einem rüstigen österreichischen Spanienkämpfer, der an der Ehrung teilgenommen hat, die anlässlich des 70. Jahrestags der Ebroschlacht Ende Juli stattgefunden hat. Die Ösis sind aber wirklich auch überall dabei ;o) „L’exbrigadista austríac Gerhard Hoffman, assegut davant la façana de l’església del Poble Vell, recordava les seves vivències davant desenes de persones, entre les quals hi havia activistes alemanys d’esquerres, congregades davant d’ell.“ = „Der österreichische Exbrigadist Gerhard Hoffman, erinnerte sich vor der Fassade der Kirche von Poble Vell sitzend seiner Erlebnisse vor dutzenden von Zuhörern, die sich um ihn geschart hatten, unter ihnen waren auch deutsche Linksaktivisten.“ Die Ebroschlacht war ja eine vernichtende Niederlage für die Republik, wäre ganz interresant zu wissen wie die „Sieger“ diesen Gedenktag begangen haben …
Diari der Tarragona ist übrigens ein gutes Beispiel für die im Alltag eingentlich meistens friedliche Koexistenz von Spanisch und Katalanisch: manche Artikel sind auf spanisch, andere auf katalanisch, wobei allerdings spanisch meinem Eindruck nach die Vorherrschaft hat, aber ich denke, das liegt auch daran, dass es in Katalonien ja erst drei Schülergenerationen gibt die katalanisch lesen und schreiben gelernt haben.
Ja, das stimmt, im spanischen Bürgerkrieg kämpften einige Ösis auf Seiten der Internationalen Brigaden, einer der prominentesten hat gemeinsam mit dem Schriftsteller Erich Hackl ein Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer veröffentlicht.
Zum Thema Katalanisch: Das liegt ganz bestimmt daran, dass nicht so viele Generationen Katalanisch überhaupt sprechen. Bei meinem katalanischen Freund ist es auch so: Er selbst spricht es, aber mit seinem älteren Bruder kommuniziert er auf Spanisch, weil der einfach nie Katalanisch gesprochen hat und es offensichtlich auch in der Familie in der Franco-Zeit lieber nicht gebraucht wurde.
Auch das ein Punkt, der das problematische Verhältnis erklärt, zumal die Partido Popular nach wie vor einen recht problematischen Nationalismus vertritt.
Auf der anderen Seite muss ich aber auch sagen, dass ich es bei allem Verständnis für diese Geschichte nur schwer akzeptieren kann, wenn der Nationalismus in Katalonien nun so seltsame Blüten trägt wie Sie sie geschildert haben. Denn so kleingeistig und ignorant ich es finde, dass Air Berlin die Fluggäste nicht auf Katalanisch begrüßen will, so ist die Aufregung auf der anderen Seite auch nicht ganz unproblematisch.
Ein anderes Beispiel: Die katalanische Regionalregierung ließ in neun Krankenhäusern Barcelonas ohne Einwilligung der Betroffenen fast tausend Patientengeschichten auf die verlangte Anwendung der katalanischen Sprache überprüfen.
So sehr ich die Hintergründe nachvollziehen kann, warum die Regionen so auf ihre Identität pochen, problematisch finde ich Nationalismus trotzdem – sei es auf Katalanisch oder auf Spanisch.
Ein Beispiel, um zu illustrieren was ich meine: Im Baskenland argumentieren auch viele, dass die ETA nur deshalb noch eine gewisse Legitimität hat, weil es eben neben der historischen Geschichte noch ungelöste Probleme im Konflikt gibt. Schön und gut, bei der Frage der politischen Gefangenen kann ich das akzeptieren.
Aber als ich mal nachgefragt habe, was denn bei Verhandlungen für das Baskenland sonst noch herausschauen könnte, musste mein damaliger Gesprächspartner eingestehen, dass da fast nur noch die Unabhängigkeit bleibt.
Die Basken haben eine weitreichende Autonomie, selbst die Steuern heben sie selbst ein und Madrid muss verhandeln, wie viel die Basken an „den Bund“ abführen (ich wüsste kein Land in Europa, wo eine Region in Steuerfragen so eine große Autonomie hätte, aber ich lass mich gern eines Besseren belehren…), sie haben eine eigene Polizei, die Beschilderung ist mehrsprachig, es gibt baskische Zeitungen, einen baskischen Radio- und einen TV-Sender (plus jeweils einen zweiten auf Spanisch), usw.usf. Was noch fehlt: Die Sozialversicherung ist nicht autonom.
Insofern: Es lässt sich verstehen, irrational ist es dennoch. Einen Artikel von mir zu dem Thema gibt es hier. Und hier noch ein anderer spannender Artikel zum Thema.
Bei der Geschichte mit Air Berlin hat sich die Aufregung in Katalonien hauptsächlich daran entzündet, dass sich Hunold im Bordmagazin über Katalanisch lustig gemacht hat – auf dem Niveau z.B. dass „Platscha de Mallorca“ häßlich klinge im Vergleich zu Plaja de Mallorca – und natürlich an seiner offensichtlichen Ignoranz und Unkenntnis.
Die Katalanen sind da wirklich sehr empfindlich, schließlich werden sie von den Spaniern, von denen immer noch viele Katalanisch den Status einer eigenständigen Sprache absprechen, „Polacos“ genannt, wegen der für spanische Ohren angeblich häßlich klingenden Sprache, und auch heute heißt es noch manchmal außerhalb Kataloniens „Habla católico, perro!“ wenn jemand sich traut in Kastillien katalanisch zu sprechen.
Was den katalanischen oder baskischen oder jeden sonstigen Unabhängigkeitswillen betrifft, habe ich persönlich eine ganz liberale Einstellung: Selbst wenn z.B die Mehrheit von „Hintervordertupfing“ demokratisch beschließen sollte, aus der Bundesrepublik Deutschland auszutreten, hätte sie meiner Meinung nach das Recht dazu. Allein schon deshalb, weil es solche „Hintervordertupfings“ schon seit Jahrhunderten gibt, die heißen z.B. Liechtenstein, San Marino, Monaco, Andorra und verdanken ihre Selbständigkeit vielleicht nur irgendwelchen monarchischen Verwandtschaftsbeziehungen oder Launen.
Und bezüglich all der Regionen, die bis jetzt wegen irgendwelcher monarchischer oder imperialistischer Launen nicht selbständig sein dürfen, setze ich eigentlich meine Hoffnung auf die Europäische Union: Das was wir heute Nationalstaaten nennen sind ja in Wirklichkeit nie homogene Nationen gewesen, sondern bestenfalls Gebiete verwandter Kulturen wie z.B. der deutschsprachige Kulturraum. Die meisten europäischen Großnationen sind nur dadurch entstanden, dass sich eine Lokalmacht die unmittelbaren Nachbarn einverleibt hat.
Für mich liegt der Zweck der EU in der Auflösung dieser klassischen Nationalstaaten und in der Regionalisierung Europas. Regionalisierung bedeutet meiner Meinung nach auch nicht zwingend Ineffektivität, sondern mehr Kreativität, Gerechtigkeit und Demokratie.
Europa als eine Art Schweiz in groß, wäre aber sicherlich keine militärische Weltmacht und hat deshalb auf absehbare Zeit vermutlich auch keine Chance, denn die Anzahl der Politiker, die in der europäischen Einigung nur das Mittel zu Schaffung einer neuen wirtschaflichen und militärischen Supermacht sehen, die natürlich weiterhin von den bisherigen „Kernnationen“ dominiert würde, ist wahrscheinlich zu groß.
Na ja, genau weil ich so ähnlich über die EU denke, finde ich das ein wenig lächerlich, wenn die ETA immer noch mit Gewalt für ein unabhängiges Land kämpft. Wenn sie eine demokratische Mehrheit dafür kriegen, soll sein, da sehe ich das ebenso liberal wie sie.
Das ist im Baskenland zum Beispiel schon ein Problem, denn Mehrheit gibt es derzeit keine. Man hat die BaskInnen aber auch nie abstimmen lassen, ich finde ja, dass man das machen sollte, aber dafür ist das politische Klima in Spanien wohl nicht geeignet.
Dazu kommt ja bei den Basken, dass ja noch nicht mal klar ist, welches Gebiet dann der mögliche unabhängige Staat haben könnte. Ein baskischer Freund von mir stammt aus Navarra, bloß ob es in Navarra alle als BaskInnen verstehen, wage ich zu bezweifeln…
Ähnlich abschätzig wie gegenüber den KatalanInnen ist man oft auch gegenüber den BaskInnen. Habe ich selbst erlebt, als ich zum ersten Mal nach Bilbao flog – per Air Berlin im Übrigen ;-) – und in Mallorca bei der Zwischenlandung machte, wurde ich von einem Spanier angequatscht wurde, wohin ich denn fahre. Als ich Bilbao antwortete, sah er mich mit einem ziemlich abschätzigen Blick an. Fand ich recht irritierend, vor allem weil ich da noch gar nix davon wusste, dass die BaskInnen im Rest Spaniens alles andere als beliebt sind.
Die EU wird oft als Argument gegen Wünsche nach staatlicher Unabhängigkeit vorgebracht. Nach dem Motto „Was wollt ihr denn überhaupt? In einem vereinten Europa macht doch Nationalismus garkeinen Sinn!“ Aber das trifft meiner Meinung nach nicht den Kern der Sache, denn es geht bei kleinen bisher untergebutterten Volksgruppen nicht um die Befriedigung nationaler Eitelkeiten, sondern um das Recht auf Selbstbestimmung.
Ich glaube, bin mir aber nicht sicher, dass das neue EU Rahmengesetz erstmals sogar die Möglichkeit des Austritts aus der EU vorsieht. Das wäre historisch ein Quantensprung, wenn ein politisches Machtgebilde dieser Größe auch bereit wäre, freiwillig wieder Macht und Einfluß abzugeben. Die Kleinen hätten also auch jederzeit wieder das Recht aus der EU auszutreten wenn sie mal als selbstständige Staaten beigetreten sind.
Und warum sollten Katalonien, das Baskenland und sagen wir Bayern ;o) oder wer auch immer nicht irgendwann direkt Mitglied der EU sein? Sicher, es würde sich relativ wenig ändern: es gäbe weiterhin keine Grenzen, jeder könnte wie bisher reisen wie und wohin er mag, es gäbe überall dieselbe Währung … ökonomisch gesprochen käme es einfach nur zu einer Verschlankung der Verwaltung, zu einer Verkürzung der Entscheidungswege durch Wegfall einer Führungsebene – ich finde das klingt gut und für manche Volksgruppen fühlt sich das halt auch richtig gut an.
Realistisch betrachtet wird es natürlich nie ein unabhängiges Baskenland geben. Das baskische Parlament hat ja mit knappster Mehrheit dafür gestimmt, im Herbst ein Referendum darüber abzuhalten. Madrid will jetzt verfassungsrechtlich dagegen vorgehen, weil die spanische Verfassung eben soetwas nicht vorsieht, im Gegenteil: die Einheit des Landes ist sogar verfassungsmäßig festgeschrieben (was eine Konzession an die Franquisten war).
Außerdem würde auch Frankreich weder ein unabhängies Baskenland noch ein unabhängiges Katalonien akzeptieren. Wie auch immer, es ist schön dass man sich heute als Deutscher relativ problemlos zu seinem Staat bekennen kann (noch!) wir haben ein schönes förderlistisches Modell, sind mit unserer Geschichte ins Reine gekommen (wenn auch unfreiwillig und unter Schmerzen), es gibt kein Sprachdiktat: festgelegt ist eigentlich nur das Schriftdeutsche und das basiert nicht auf dem Dialekt irgendeiner historischen Lokalmacht, sondern ist ein über die Jahrhunderte gewachsenes „Esperanto“ für den deutschen Kulturraum und insofern auch ganz nützlich.
Aber so richtig „deutsch-national“ werde ich eigentlich auch nur beim Fußball, ansonsten bin ich Schwabe ;o)
Hallo zum Schluß noch ein Link für alle die mal Lust haben bewußt katalanisch zu hören (in diesem Fall die Variante „Barcelona“)
http://www.diaridebarcelona.com/diari-de-barcelona-video-noticies-actualitat.html
Diari de Barcelona hieße praktisch „Barceloneser Tagesspiegel“, wenn man´s übersetzen wollte. Da gibt es übrigens rechts oben auf der Seite kleine Kreise, der rechts außen enthält ein asiatisches Schriftzeichen, und wenn man draufklickt kommen verschiedene Sprecher zum Vorschein, von denen man sich dann per Klick auch einen Deutschen auswählen kann. Es wird dann auf deutsch aktuelle Geschichten und Begebenheiten aus Barcelona erzählt: heute akutell geht´s um die neue Generalkonsulin. Ist ganz nett gemacht. –
Zum Schluss klingt nach Abschied. Danke aber für diese spannende Diskussion, hat mir großen Spaß gemacht!
Ach ja, zwar bin ich Österreicherin und halte im Fußball zu den Deutschen, Deutsch-Nationale bin ich deshalb aber wirklich nicht ;-)
Einen lieben Gruß ins Schwabenland und ich würde mich freuen, Sie hier wieder anzutreffen!