Weniger politisches Kalkül und mehr gesellschaftspolitische Verantwortung: Nur so kann eine Debatte über Integration und Islam glaubwürdig geführt werden. Ein Komment@r für derStandard.at


Surprise, surprise: Die ÖVP hat eine Wertedebatte ausgerufen. Es wäre ja auch verwunderlich gewesen, wenn die österreichischen Konservativen diese Gelegenheit nicht beim Schopf ergriffen hätten. Nun, da hier, mitten in Österreich „etwas passiert ist“.Aber was ist eigentlich passiert? Es wurden drei Personen verhaftet, die ein Drohvideo produziert haben. Schlimm genug, dass es auch in Österreich solche politischen Wirrköpfe gibt. Und so problematisch es ist, was über die Verhafteten bekannt wurde, so ist doch zum Glück nichts passiert. Noch nicht?. Ja genau, noch nicht! Nicht auszumalen, was gewesen wäre, hätten sie sich tatsächlich Sprengstoff besorgt. Aber warum die Hysterie? Die drei wurden verhaftet (einer ist inzwischen wieder auf freiem Fuß), es wird eine Anklage geben und alles geht seinen juristischen Weg.

Aber zurück zur Wertedebatte: An welche Werte, werte Damen und Herren von der ÖVP, sollen sich die Muslime nun eigentlich anpassen? Daran etwa, dass verhaftete Islamisten mehr Aufregung verursachen als nicht-verhaftete Neonazis? Daran etwa, dass Straches Auftreten bei einer Demonstration, bei der Parolen wie „Hier marschiert der nationale Widerstand“ skandiert werden, fast schon beiläufig zur Kenntnis genommen wird? Kann passieren, meint er. Selbstverständlich, passiert auch anderen immer wieder, dass sie sich bei einer Demonstration auf einmal mitten unter Neonazis wieder finden. Oder? Was muss eigentlich noch passieren, wie viele Fotos müssen denn noch auftauchen, damit es reicht?

Aber zurück zu den Ereignissen der vergangenen Woche: Es steht in keinem Verhältnis, dass für die einen Extremisten gleich alle MuslimInnen verantwortlich gemacht werden, das Auftreten der anderen lieber unter den Teppich gekehrt wird. Eine ernst gemeinte Integrationsdebatte nämlich kann nicht mit Phrasen wie „Minarette sind etwas artfremdes“ eingeleitet werden.

Weniger politisches Kalkül und mehr gesellschaftspolitische Verantwortung, weniger Zeigen auf andere und mehr vor der eigenen Haustüre kehren: Nur so kann die Debatte über Integration und Islam glaubwürdig geführt werden. Nötig ist sie, das zeigt das Tauziehen um das Kulturzentrum in der Brigittenau. Zu sinnvollen Ergebnissen aber wird sie nur führen, wenn nicht mit zweierlei Maß gemessen wird – und wenn Integration nicht als „Die da müssen sich anpassen“ verstanden wird, sondern als Prozess, zu dem beide Seiten etwas beitragen müssen.