Gefälle der Weinstraßen auf Zypern: Bis zu elf – Alkoholgehalt von Commandaria: Mehr als fünfzehn. (Ein Reisebericht für DER STANDARD)

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„Wie Ihnen vielleicht schon aufgefallen ist, sind unsere Weinstöcke nicht sonderlich hoch“, meint Marios Antoniades. An einem mangelt es Zypern nämlich nicht: Sonnenschein. Wasser allerdings ist knapp. Deshalb lassen zypriotische Weinbauern ihre Pflanzen niedrig wachsen, sodass sie im Vergleich zu anderen Artgenossen wie Bonsai-Weinstöcke wirken. „Unser Vorteil ist, dass wir nie vom Reblausbefall betroffen waren“, erzählt Antoniades weiter. Alt seien deshalb auch die meisten Rebsorten, von denen manche bereits seit Jahrtausenden auf der Insel gedeihen.

Antoniades ist Weinbauer in der Nähe des Weindorfes Omodos, das an den Hängen des Tróodos-Gebirges mitten auf der Insel liegt – und an einer von mehreren Weinstraßen. Mit den Routen auf dem Kontinent haben die zypriotischen Weinstraßen wenig zu tun, in manchen Orten beschränken sich die Sehenswürdigkeiten auf eine alte Weinpresse.

Selbst auf den Hauptstraßen muss man mitunter Steigungen von bis zu elf Prozent und scharfe Kurven überwinden, viele kleinere Wege sind schlecht befestigt. Allerdings werden selbst Wiederkehrende belohnt, denn gerade im Frühling befallen einen an manchen Stellen Zweifel, ob man sich wirklich auf Zypern befindet. Die ergrünte Landschaft und eher kühle Temperaturen in diesen Höhen lassen so gar nicht an die trockene Mittelmeerinsel denken.

Immer nur Meeresfrüchte?

Zypern setzt neben dem klassischen Strandurlaub schon lange auf Agrotourismus, Weinstraßen sind dabei nur ein Aspekt, die diese Bemühungen sichtbarer machen sollen. Seit Jahren will man die alten dörflichen Strukturen wiederbeleben. So kann man im Tróodos-Gebirge etwa nahe einer Forellenfarm den Urlaub in einem jener Dörfer verbringen, wo verfallene Häuser bereits revitalisiert und für Gäste adaptiert wurden. Umgesetzt wurden viele Projekte von „Cyprus Villages“, einem bewährten Anbieter, der Tage „inmitten von gelebter Tradition und Alltag auf dem Lande“ in Aussicht stellt. In Dörfern wie Tochni oder Kalavassos ist das möglich, auch ohne rein touristische Infrastruktur: In derselben Taverne des Dorfes gibt es dann das Frühstück, Mittagessen und die Abendunterhaltung – zum Glück besteht die oft nur aus unaufdringlichen Zikadenkonzerten.

Mit Dörfern wie Tochni holt man sich den Agrotourismus aber auch nahe genug an den Strand. Der Ort selbst liegt nur rund 40 Kilometer vom Flughafen Larnaca entfernt. Auf das Meer muss man so nicht verzichten, denn der Governor’s Beach liegt von Tochni nur wenige Kilometer entfernt. Auch der bekannte Strand Petra Tou Romiou (wo Aphrodite angeblich dem Schaum entstiegen ist, will man halt doch meistens wissen) lässt sich ohne Probleme in einem Tagesausflug besuchen.

Aber zurück zur zypriotischen Weinseligkeit in den Bergen: Berühmte Weine ähnlich dem griechischen Retsina gibt es kaum, einzig der mehr als fünfzehn Prozent starke Süßwein Commandaria hat internationale Bekanntheit erreicht. Neben der heimischen Rebsorte Xinisteri, aus der die meisten Weißweine gekeltert werden, sowie den Rotweintrauben Mavro, Maratheftiko und Opthalmo werden auch „fremde“ Trauben angebaut, darunter Chardonnay, Sauvignon Blanc oder Cabernet Sauvignon. Antoniades stellt auf seinem Weingut nahe Omodos drei Sorten her: Xinisteri, Mavro und Cabernet Sauvignon. Insgesamt sogar 110.000 Flaschen pro Jahr.

Omodos selbst gilt als das schönste Weindorf auf Zypern. Das allerdings ist Segen und Fluch zugleich, denn in den engen Gässchen reihen sich Souvenirgeschäfte aneinander, hier werben geschäftstüchtige Besitzer: „Kommen Sie herein!“, lädt ein Großmütterchen zum Besuch in ihr „traditionelles Haus“. Hat man ihre freundliche, aber bestimmte Einladung nicht ohnehin bereits angenommen, kommt ihr Mann zum Einsatz und überzeugt urlaubsbedingt wenig widerstandsfähige Besucher. Dann spätestens ist man verloren, und man muss sich stundenlang die Fotos anschauen, die sich in den letzten Jahrzehnten angesammelt haben.

In der Nebensaison ist Omodos aber dennoch ein ebenso verschlafenes Nest wie die weniger bekannten. Vasa, Koilani, Laneia, Pera Pedi: So heißen einige andere, die man auf der Strecke passiert. Unterwegs zu den Dörfern erfährt man eine ausgesprochen abwechslungsreiche Landschaft: Weingärten, die für den Mittelmeerraum so typische Macchia, aber auch bewaldete Regionen, die kein Reiseprospekt zeigt.

Die Philosophie im Wein

Immer wieder weisen unterwegs gut sichtbare Schilder den Weg zu Weinbauern wie Antoniades, die Besuchern bereitwillig ihr Reich zeigen. Für Anekdoten sollte man aber etwa übrig haben: „Wussten Sie, dass sich Pythagoras zum Denken in eine Weinamphore zurückgezogen hat?“, fragt der Weinbauer. Nein, aber wir halten uns lieber an Hesiod, der um 800 vor Christus den Weinbau auf Zypern dokumentierte, auch wenn ihn hier manche Weinbauern 8000 Jahre alt machen wollen.

Müde Agrotouristen, die nicht lange diskutieren wollen, schauen einfach in die Hafenstadt Limassol: In der Keo-Brauerei wird neben dem zypriotischen Bier nämlich auch der Süßwein Commandaria hergestellt. Und im wenige Kilometer entfernten Dorf Erimi gibt es noch ein Weinmuseum, das alle Zweifel ausräumt. Dann allerdings wird man nicht das ganze Repertoire hier auskosten können, zu dem auch jene uneingeschränkte Gastfreundschaft zählt, die zumeist nur hinter einer Schank in den Bergen lauert. (Sonja Fercher/DER STANDARD, Printausgabe, 19./20.4.2008)