Darf sich die Öffentlichkeit nun für die Scheidung von Nicolas und Cécilia interessieren oder nicht? Diese Frage beschäftigte die frazösischen Medien – und per Zufall stolperte ich in die Sendung „Le duel“ auf France 3. Schwierig zu beantworten bei einem Präsidenten wie Sarkozy.

Ich persönlich schloss mich dem Chefredakteur von Charlie Hebdo, Philipp Val, an: Wenn es gut geht, instrumentalisiert Sarkozy das Privatleben, wenn nicht, beruft er sich auf den Schutz der Privatsphäre – das passt einfach nicht zusammen.

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass diese Inszenierung des Privatlebens von PolitikerInnen mehr als überflüssig ist. Natürlich gibt es eine gewisse Neugier, natürlich möchte auch ich gerne wissen, wie und mit wem PolitikerInnen leben. Ich behaupte sogar, wer dies leugnet, lügt sich selbst an. Bloß was einem da in den vergangenen Jahren an Homestories um die Ohren geschmissen wird, ist einfach nur überflüssig, seien es die Grassovskys, wie meine tiroler Großtante zu sagen pflegt, in Österreich oder die Sarkozys in allen Lebenslagen in Frankreich. Verantwortlich dafür sind natürlich sowohl Medien als auch PolitikerInnen, aber nicht zuletzt auch die KonsumentInnen. Mein Mitleid für Sarkozy bewegt sich in jedem Fall gegen den Nullpunkt.

Einen spannenden Aspekt brachte Kim Willsher, die Paris-Korrespondentin des Sunday Telegraph, ein, die von den französischen Gästen quasi stellvertretend für die britischen Tabloids an den Pranger gestellt wurde. Denn auf der Insel sind die Gesetze zum Schutz der Privatsphäre von Prominenten sehr locker. Eine Tatsache, die sie keineswegs zu verteidigen dachte. Allerdings merkte sie an, dass sie sich von der französischen Presse etwas mehr Respektlosigkeit wünscht – nicht dem Privatleben gegenüber, sondern der Politik.

Ja, wie wahr. Viele Dinge werden in Frankreich erstaunlich wenig thematisiert – und die übrigen TeilnehmerInnen pfichteten ihr bei, dass man sich bei der angelsächsischen Presse in Sachen Kritikfähigkeit und Aufdeckerjournalismus einiges abschneiden kann.

Ein Thema erlebte ich dabei mit, nämlich als Ex-Präsident Jacques Chirac im Jahr 2001 erklärte, er sei kein Bürger wie alle anderen, um sich mit diesem Argument einer peinlichen Befragung durch die Justiz in Sachen Korruptionsvorwürfen während seiner Zeit als Bürgermeister von Paris zu entziehen. Ich musste zwei Mal hinhören, um zu kapieren, dass er das wirklich ernst meint… Pas un citoyen comme les autres, und das im Land von liberté, égalité, fraternité, von Montesquieu und der Revolution.

Ich konnte es kaum fassen, bloß blieb der große Aufschrei, den ich erwartet hätte, aus. Ich war fassungslos, denn während meiner sechs Monate, die ich in diesem Jahr in Paris verbracht hatte, verging kaum ein Tag, an dem nicht neue Vorwürfe erhoben, an dem nicht neue peinliche Fotos von Chirac im Bademantel in irgendwelchen Urlaubsparadiesen auftauchten. Die Konsequenz? Nichts… Ja, noch nicht einmal jetzt, wo er wieder Bürger und nicht mehr Sonderbürger ist, scheint sich was zu bewegen. Mich täte das schon interessieren und ich hoffe, dass dies irgendwann aufgeklärt wird.

Was ich hingegen immer wieder aufs Neue großartig an Frankreich finde ist die Leidenschaft für Debatten: Stunde über Stunde können sich verschiedene Menschen in den unterschiedlichen Radio- oder Fernsehprogrammen eins in die Goschn hauen. Vivent les lumières! Es lebe die Aufklärung und die verbale Auseinandersetzung!