Ein Reformierer wollte er sein. Jemand, der für die ÖVP neue Perspektiven erschließt. Nicht zuletzt deshalb galt er als Zukunftshoffnung der ÖVP. Nun hat Josef Pröll also das Handtuch geschmissen, und zwar ordentlich! Schon die Ergebnisse der Perspektivengruppe und deren weitgehend fehlende Umsetzung deutete darauf hin, wie schwierig es der ÖVP fällt, sich auch tatsächlich neuen Perspektiven zu öffnen. Seither hat sich die ÖVP zwar in manchen Bereichen bewegt, meist aber eher nach dem Motto „Einen Schritt vorwärts, zwei Schritt zurück“.
Erstes Beispiel Bildungspolitik: Zwar hat sich die kürzlich dazu durchgerungen, die 10-Prozent-Hürde bei der Neuen Mittelschule aufzuheben. Festgehalten wurde diese neue Position im neuen „Bildungspapier“. Das Papier zeigt mehr als deutlich, dass die ÖVP gerade in diesem Bereich kaum in der Lage ist, sich nach vorne zu bewegen. Denn abgesehen von der „Mittleren Reife“ enthielt es wenig, das den Begriff „neue Perspektive“ verdienen würde. Vielmehr zog die ÖVP bei Positionen nach, bei denen sich BildungsexpertInnen längst einig sind, und selbst da nur zögerlich, siehe Neue Mittelschule. Gymnasium für alle? Bloß nicht. Dabei wäre das einmal eine starke Ansage für die Zukunft der jungen Generation gewesen.
Zweites Beispiel Frauenpolitik. „Weg von Geldleistungen und hin zu mehr Sachleistungen, also Kinderbetreuungsplätzen“: Das verkündete Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner vor nicht allzu langer Zeit. Doch auch damit ist es nicht weit her, wie die Budgetverhandlungen zeigen sollten: Die Förderung zum Bau von Kindergärten durch den Bund endete 2010 und auch wenn diese in den vergangenen Jahren ein voller Erfolg war, wurde sie 2011 nicht fortgesetzt. Nach wie vor ist völlig offen, ob es 2012 wieder weitergeht. Dabei wäre ein ausreichendes Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen nicht nur aus frauenpolitischer, sondern auch aus bildungspolitischer Sicht wichtig – und zwar nicht nur für MigrantInnen.
Der Rücktritt ohne Nachfolge deutet auf etwas hin, das man bis dato schon vermuten konnte: Die ÖVP ist von Machtkämpfen so gelähmt, dass Pröll nicht einmal das möglich war. Nun hat Pröll seine ParteikollegInnen unter Zugzwang gesetzt, eine schnelle personelle Lösung zu finden. Denn lange Obmanndebatten holen die ÖVP nicht aus der Krise, sondern reißen sie vielmehr weiter hinein. Bleibt abzuwarten, wie die ÖVP aus dieser verfahrenen Lage herauskommt – und ob ihr das mit Erfolg gelingt, wird nicht nur an der Nachfolgeregelung zu messen sein.
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