Heute hatte ich eine eigentümliche Erfahrung: Ich war als Journalistin geladen, um über das Thema „über Rassismus schreiben“ Rede und Antwort zu stehen. Ein Rollentausch, bin ich doch sonst immer diejenige, die Fragen stellt. Aber ich denke, dass es ganz lehrreich sein kann, genau einen solchen Rollentausch zu wagen. Und genau so war es: Denn selten genug kommt man in die Situation sich für die Arbeit rechtfertigen zu müssen, in der frau als Journalistin Tag für Tag steckt.

Natürlich, wir müssen uns rechtfertigen: Vor den KollegInnen, den ChefInnen, gegenüber unseren LeserInnen. Nur wie oft gerät JournalistIn in Rechtfertigungszwang? Ja, natürlich wird uns immer wieder vorgeworfen, diese oder jene Position einzunehmen, bei derStandard.at ist es entweder jene einer Vorfeldorganisation der SPÖ oder der Grünen. Gut, damit muss Standard-RedakteurIn wohl ebenso leben wie die KollegInnen aus anderen Medien.

Spannend aber fand ich heute vor allem einen Aspekt: Wenn frau über Rassismus schreibt, so gibt es zig-Dinge, derer sie/er sich bewusst sein sollte, eben weil es ein emotionales Thema ist und weil die Gefahr groß scheint, sich mit den Opfern, also mit einer Seite, zu identifizieren. Das ist natürlich ein berechtigtes Argument, und ich müsste lügen, wenn ich mir dessen nicht selbst bewusst wäre, dass mich Rassismus emotionalisiert. Sich dessen bewusst zu sein aber ist aus meiner Sicht einer der besten Wege, um sensibel mit dem Thema umzugehen und um Ausgewogenheit bemüht zu sein.

Lustig aber finde ich, und das fiel mir leider erst nach dem Gespräch ein, dass diese Frage offenbar nur jenen JournalistInnen gestellt wird – oder als Frage auftaucht -, die mit Themen wie Rassismus zu tun haben, oder auch Sexismus oder was es so an Vorurteilen (leider) gibt. Bei so vielen etablierten JournalistInnen wird es einfach als gegeben angenommen, dass sie diesem oder jenem politischen Lager angehören. Ihren Ruf schmälert dies keineswegs, oder nur im „gegnerischen“ Lager.

Schade eigentlich, denn würden viel mehr JournalistInnen so offensiv zur Rechenschaft gezogen wie jene, die sich mit so genannten gesellschaftlichen „Randthemen“ auseinandersetzen, wäre dies ein Gewinn. Denn es gibt eine Aufgabe der Presse, die ich für geradezu essentiell halte, nämlich sich selbst immer wieder zu hinterfragen. Denn nur dann kann die Presse ihre eigentliche Aufgabe erfüllen, an die ich aus tiefstem Herzen glaube: Die Gesellschaft zu hinterfragen. Kritik darf nicht bei den anderen anfangen, nein, sie muss bei einer/-m selbst beginnen!