„Wenn die Sozialisten den Pakt mit den Grünen nicht einhalten, war das das letzte Mal, dass ich ’nützlich‘ gewählt habe!“ Antoine ist Biobauer in der Vendée im Westen Frankreichs und in Sachen Landwirtschaft auch politisch aktiv. Mit Argusaugen beobachtet er, wie sich der sozialistische Kandidat Francois Hollande positioniert. Denn um zu verhindern, dass am Ende wieder ein Malheur mit dem Front National wie schon 2002 passiert, hat er direkt Hollande seine Stimme gegeben – und nicht der Grünen Eva Joly, wie es eher seinen Überzeugungen entsprochen hätte. Nützlich gewählt haben genau aus diesem Motiv auch seine FreundInnen. Sie hätten sonst Jean-Luc Mélenchon oder Francois Bayrou ihre Stimme gegeben.
Mit Hilfe der 2002-Sorge dürfte es Hollande gelungen sein, schon im ersten Wahlgang die Führung zu übernehmen – und sie dürfte für das deutlich bessere Abschneiden von Mélenchon in Umfragen denn bei der Wahl selbst verantwortlich sein. Für Hollande bedeutet dies aber auch, dass ihm diese WählerInnen bei der Regierungsbildung genau auf die Finger sehen werden. Wenn er verhindern will, dass ihm diese gleich wieder den Rücken zukehren, wird er Rücksicht nehmen müssen auf die Sensibilitäten dieser WählerInnen. Antoine ist jetzt schon skeptisch: „Wenn Du mit wem von den Sozialisten redest, frag ihn doch, ob sie gedenken, sich an das Übereinkommen mit den Grünen zu halten“, meint er fordernd.
Entsetzt ist man in der Runde vom guten Abschneiden des Front National im ersten Wahlgang, auch wenn man davon nicht unbedingt überrascht ist. Immerhin habe Sarkozy den Boden dafür aufbereitet, ist man überzeugt. Geteilt sind die Meinungen zu Mélenchon: die einen halten ihn für zu populistisch, die anderen finden Gefallen an seinem Entwurf einer menschlicheren Gesellschaft. Worin sie sich alle einig sind ist, dass sie Sarkozy zutiefst ablehnen, und zwar nicht erst seit er Präsident ist. Vielmehr hat sie sein Quinquiennat in dieser Meinung nur noch bestätigt. Bettencourt, Gaddhafi, das Fouquet´s, jenes feine Lokal, in dem Sarkozy am Wahlabend eingekehrt ist und in dem die Reichen verkehren, seine ausgrenzende Politik, die schlechte wirtschaftliche Bilanz: All das sind Gründe für ihre Ablehnung. Da war Sarkozys verschärfte Wahlkampflinie nur noch ein Tüpfelchen auf dem i.
Zurück in Paris wurde mir auf einmal klar, wie polarisiert die Stimmung in Wahrheit ist. Eindrücklich bestätigt wurde mir dies in Gesprächen mit der Journalistin Isabelle Daniel, nachzulesen sind ihre Erlebnisse mit Sarkozy-WählerInnen auf Twitter. Auch mein Mitbewohner erzählte mir, dass es in seiner Familie eine richtiggehende Front gäbe. Frankreich ist im Moment zweigeteilt und es wird wohl die erste Aufgabe des nächsten Präsidenten sein, diesen Bruch in der fanzösischen Gesellschaft wieder zu kitten – und das wird sicherlich keine einfache Aufgabe. Doch zunächst mal abwarten, wie denn der siebte Präsident Frankreichs überhaupt heißen wird. Bald sind wir schlauer…
Hinterlasse einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar schreiben zu können.