Die Menschen miteinander ins Gespräch bringen, ganz so wie es an der Bassena früher noch ganz zufällig passierte: Das ist die Idee der von der Wiener Stadträtin für Integration Sandra Frauenberger initiierten Bassenagespräche.

Wie dringend es nötig ist, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft miteinander ins Gespräch kommen, wurde beim ersten Bassenagespräch im Gemeindebau am Margaretengürtel denn auch deutlich. Und es zeigte sich, wie sehr der Diskurs über Integration und die ihm zugrunde liegende Polarisierung zwischen den vermeintlich homogenen Gruppen In- und AusländerInnen bereits Folgen hinterlassen hat.

Pointiert ausgedrückt wurde der wesentliche Vorbehalt, der sich in Österreich MigrantInnen gegenüber breit gemacht hat, von einer älteren Frau: “Es ist nur eine einzige Migrantin hier, daran sieht man mal wieder: Die haben gar kein Interesse.” „Viele Menschen müssen um die Uhrzeit noch arbeiten“, widersprach daraufhin die angesprochene Migrantin.

Doch es war nicht das einzige Klischee, das durch die Art und Weise, wie die Diskussion über Ingration in Österreich geführt wird, entstanden ist. Ergänzt wurde diese Feststellung durch die von Anwesenden formulierte Wahrnehmung, woran MigrantInnen an allem Übel schuld seien. „Seitdem Ausländer hier eingezogen sind, sind meine Blumen immer kaputt“, meinte etwa ein weiterer Mann.

Ein anderer – der sich übrigens selbst als Österreicher mit Migrationshintergrund outete – beschwerte sich über den Lärm seines ausländischen Nachbarn. “Auch die Österreicher können laut sein, das sind nicht nur die Ausländer”, protestierte eben jene angeblich einzige Migrantin, die den Weg zum Bassenagespräch gefunden hatte.

Auch Frauenberger bemühte sich, Überzeugungsarbeit zu leisten – und hatte vorgebaut, um Probleme, die nichts mit Integration zu tun haben, auch in die richtige Kategorie einzuordnen. So standen VertreterInnen von der Gebietsbetreuung, von Wiener Wohnen, der Polizei oder der MA 48 bereit und wurden mit den Anwesenden zusammengebracht. Denn wie Frauenberger in ihrem Eingangsstatement festgestellt hatte, würden viele Probleme zu Unrecht ethnisiert.

Auch konterte die Stadträtin den Vorwurf, MigrantInnen würden Sozialleistungen nutze, ohne einzuzahlen: „Ohne Migranten wäre das Gesundheitssystem nicht aufrechtzuerhalten“, erklärte Frauenberger und zitierte eine Studie, wonach die Krankenkassen ohne die Beiträge der MigrantInnen nicht mehr finanzierbar wären. Ebenso widersprach sie dem Bild, wonach MigrantInnen sich nicht integrieren wollten, was etwa auf den mangelnden Willen Deutsch zu lernen zurückgeführt wird: „99 Prozent der Neuankömmlinge nehmen an unserem START-Programm teil.“ Ein Programm, in dessen Rahmen auch Sprachkurse angeboten werden.

Genau das Thema der deutschen Sprache wurde denn auch Thema einer Kontroverse, die durch die Befürchtung ergänzt wurde, wonach die Mehrheitsgesellschaft bedroht und die ÖsterreicherInnen gezwungen seien, sich „den anderen“ unterzuordnen. So echauffierte sich eine junge Österreicherin, sie werde dazu gezwungen, Türkisch oder Serbisch zu lernen. Denn BewerberInnen, die eine der beiden Sprachen beherrschen, würden inzwischen von vielen ArbeitgeberInnen bevorzugt.

Als die Stadträtin einwarf, dass Fremdsprachenkentnisse wertvolle Qualifikationen sein können, ging ein Raunen durch das Publikum. Denn für Türkisch oder Serbokroatisch wollten viele dies offenbar nicht gelten lassen: „Englisch und Französisch, das sind immerhin Wirtschaftssprachen“, sagte eine ältere Frau in der ersten Reihe laut vor sich hin. Und die junge Frau blieb dabei: „Warum soll ich ihre Sprache lernen, sie leben doch hier bei uns?“

Die angeblich einzige anwesende Migrantin konterte daraufhin: „Auch meine zweijährige Tochter lernt erst im Kindergarten Deutsch, weil ich will, dass sie auch Serbisch kann“, erklärte sie und ergänzte: „Ich musste Deutsch auch erst lernen, als ich herkam, und ich kann es heute besser als manche Österreicher.“

Doch es war eine ältere Bewohnerin österreichischer Herkunft, die das größte Problem auf den Punkt brachte. Auf den Vorwurf, wonach „die AusländerInnen“ gar nicht interessiert seien, stellte sie die Frage in den Raum: „Haben sie ihre Nachbarn überhaupt gefragt, ob sie kommen wollen?“ Sie habe mit den Leuten auf ihrer Stiege gesprochen und wisse daher, dass nicht das mangelnde Interesse der Grund für ihre Abwesenheit ist.

So zeigte sich im Mirkokosmos des ersten Bassenagesprächs nicht nur das größte Problem der Integrationspolitik, sondern auch die wichtigste Herausforderung: Weil der politisch Diskurs entlang der Linien „wir“ und „die anderen“ geführt wird, setzt sich dies auch in der Gesellschaft fort – und zwar bis zu dem Punkt, dass nicht mehr miteinander, sondern nur noch übereinander gesprochen wird. Die Idee der Bassenagespräche ist ein wichtiger Schritt, doch es ist nur ein kleiner Schritt – und je länger man mit weiteren Schritten wartet, desto schwieriger wird es, aus diesem Kreislauf auszubrechen.

Link: „Frau Stadträtin will tratschen“ (derStandard.at)