Das Papier der Perspektivengruppe ist eine Anpassung von längst überholten Vorstellungen an gesellschaftliche Realitäten – und es offenbart, wie konservativ die ÖVP ist. (Ein Komment@r für derStandard.at)
Ja, es ist viel von Perspektiven und Zukunft die Rede in dem Papier, das die Gruppe um Landwirtschaftsminister Joseph Pröll vorgelegt hat. Vor allem im Kapitel Familie aber sind die Feststellungen alles andere revolutionär. Dass Frauen arbeiten wollen, ist nichts Böses. Auch nicht, dass sich Männer mehr im Familienleben engagieren, um die Doppelbelastung der Frauen zu entschärfen. Kinderbetreuungsplätze sind nötig, um die Vereinbarung von Beruf und Familie zu ermöglichen. Homosexuelle dürfen nicht mehr diskriminiert werden.Der Großteil des Papiers ist von einer sehr konservativen Haltung geprägt. Nach wie vor wird an allen Ecken und Enden der „besonderen Schutz der Ehe“ postuliert. Allerdings wird an keiner Stelle erklärt, worin denn genau die Gefährdung der Ehe besteht, wenn Homosexuelle auch Zugang zu ihr haben. Allerdings wird darüber lieber nicht gesprochen, sonst könnte man ja am Ende noch zu dem Schluss kommen, dass es kein vernünftiges Argument gegen die Ehe Homosexueller gibt und dass die Vorstellung überholt ist, die Ehe sei nur zum Kinderkriegen da.
Fast krampfhaft hält man am Klischee der „heilen Familie“ fest. Genau hinter der Fassade dieser heilen Familie lauern oftmals die eigentlichen Gefahren, etwa Gewalt in der Familie, ob gegen Frauen oder Kinder. Auch darüber spricht man lieber nicht, Gewalt, das ist „etwas Islamisches“: Erwähnt wird das Wort genau fünf Mal, gleich vier Mal im Zusammenhang mit Integration, Fundamentalismus und Extremismus. Kein einziges Mal im Zusammenhang mit der Familie. Die gesellschaftliche Realität sieht aber sieht anders aus: 90 Prozent aller Gewalttaten passieren nach Schätzungen der Polizei in der Familie und im engsten sozialen Umfeld.
Vor diesem Hintergrund ist es geradezu anachronistisch, dass die Familienpartei nach wie vor behauptet, im Interesse der Kinder zu handeln, wenn sie das Adoptionsrecht für Homosexuelle ablehnt. Warum aber soll es im Interesse der Kinder sein, dass zwei sich liebende Menschen das Kind des Partners/der Partnerin nicht adoptieren dürfen? Denn da geht es nicht um Symbole, sondern um Rechte,, und die werden derzeit Kindern vorenthalten, wenn sie – etwa nach einer Scheidung – bei einem Elternteil leben, der in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt. Im Übrigen: Eine Lesbe oder ein Schwuler können jetzt schon allein ein Kind adoptieren, warum dann nicht auch der Partner oder die Partnerin?
Warum soll es schließlich im Interesse eines elternlosen Kindes, dass zwei Menschen es nicht adoptieren können, nur weil sie dummerweise das gleiche Geschlecht haben? Immerhin entscheiden sie sich immerhin bewusst dafür, ein Kind zu haben, während es bei Heterosexuellen oft genug einfach passiert. Auch die Unterstellung, Kinder gleichgeschlechtlicher Paare könnten daraus einen Schaden davon tragen, ist ein Scheinargument, das von wissenschaftlichen Untersuchungen nicht bestätigt werden konnte.
Mit ihrem Papier zeigt die Perspektivengruppe, dass sie gerade einmal einen Aufholprozess begonnen hat, eine Anpassung von längst überholten Vorstellungen an gesellschaftliche Realitäten – und das noch nicht einmal besonders konsequent. Dass das schon der moderne Konservativismus in Österreich ist, das offenbart wiederum, wie konservativ die ÖVP ist. Die Perspektivengruppe ist dagegen nicht die propagierte Öffnung, sondern maximal eine Spur weniger konservativ.
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