Dass die PISA-Studie jedes Jahr die Wogen hochgehen lässt, ist ja quasi schon wie das Amen im Gebet. Die Ergebnisse geben allerdings auch Grund genug dafür: JedeR dritte Jugendliche gilt als RisikoschülerIn. Wenn das nicht zu denken gibt.

Ziemlich verwunderlich aber mutet an, wie man in der ÖVP über all das denkt. Behinderte würden das Ergebnis verzerren, meinte da Bildungssprecher und GÖD-Boss Fritz Neugebauer. Polemisch gefragt: Leben nur in Österreich Behinderte oder auch in anderen Ländern? Aber bitte, auf der Suche nach Sündenböcken ist die ÖVP ja auch schon letztes Jahr schon gegangen, damals waren es die vielen MigrantInnenkinder, die es anscheinend auch nur in Österreich gibt (und das, wo es doch kein Einwanderungsland ist, aber das ist eine andere Geschichte…).

Aber ein Sündenbock allein reicht natürlich nicht, die ÖVP zauberte gleich den nächsten aus dem Hut: Den österreichischen PISA-Koordinator Günter Haider. Auch hier kann man sich gar nicht so sehr auf die Zunge beißen, um Katharina Cortolezis-Schlager nicht die Frage zu stellen, ob nicht vielleicht auch sie „erst lernt“. Schon komischere Züge hat es, dass der frühere Vizekanzler Alois Mock aufmarschieren musste, um für die frühere Ministerin Elisabeth Gehrer in die Bresche zu springen.

Die Reaktionen der Vizekanzler-Partei sind irritierend und gerade deshalb auch entlarvend. Denn die Ergebnisse der PISA-Studie sind nicht neu so neu, wie man jetzt tut: MigrantInnenkinder sind ebenso benachteiligt wie Kinder aus bildungsfremden Schichten (wobei sich beides vermutlich oftmals überschneidet), Mädchen tun sich beim Lesen leichter, Burschen beim Rechnen, es gibt wenig Begeisterung für Naturwissenschaften und so weiter und so fort.

Der Grund, warum die ÖVP lieber über einen Ausstieg von PISA diskutiert als über die Ursachen für die Zahlen, liegt auf der Hand: Sie müsste sonst vielleicht auch noch eingestehen, dass ihre Blockadehaltung in der Schulpolitik völlig unangemessen ist. Es muss nämlich ausgesprochen unangenehm für die ÖVP sein, dass mit Polen ausgerechnet ein Land seine Ergebnisse verbessern konnte, das die Differenzierung des Schulsystems ein Jahr nach Hinten verschoben hat. Auf Deutsch: Eben jene „Gesamtschule“ um ein Jahr verlängert hat, die die ÖVP inzwischen so zu fürchten scheint wie der Teufel das Weihwasser.

Das Dramatische dabei ist, dass dieser Streit auf dem Rücken eben jener RisikoschülerInnen ausgetragen wird, deren Probleme sich nicht dadurch lösen lassen, dass man die Zahlen nicht zur Kenntnis nimmt. In Wahrheit wäre es nämlich schon mehr als an der Zeit, nicht nach Gerechtigkeit für irgendwelche früheren Ministerinnen zu rufen, sondern für mehr Gerechtigkeit im Schulsystem zu sorgen. Denn auch wenn man PISA nicht für sakrosankt halten muss, so ist die Studie keineswegs die einzige Untersuchung, die zu den gleichen oder ähnlichen Ergebnissen kommt – und zwar schon seit Jahren.