So langsam hole ich ja auf, was in der vergangenen Woche in der Weltgeschichte so alles passiert ist – und das ich versäumt habe. Denn wenn es etwas gibt, das ich während meines Urlaubs nur selten mache, dann ist es Zeitung lesen. Muss ich ja in meinem Beruf ohnehin genug…

Saddam Hussein wurde also hingerichtet. Zwar habe ich diese Neuigkeit natürlich trotz der Nachrichten-Abstinenz vernommen. Als ich aber von der Vollstreckung des Urteils hörte, wurde mir mulmig. Ich musste an diese Momente in Filmen denken, wo ich merkte, dass ich erleichtert war, wenn ein Mörder „unschädlich“ gemacht wurde. Aber eben genau diese Formulierung „unschädlich“ ist es, die das Hirn gleich wieder arbeiten lässt – zum Glück!

Was soll das für ein neuer Irak sein? Worin soll sich dieser denn von der Saddam-Ära unterscheiden, wenn nicht dadurch, dass sie die Dinge anders handhabt als der gestürzte Machthaber? Zwar ist dies durchaus der Fall, denn Saddams Gegner konnten von einem Prozess nur träumen, wie er ihn erhalten hat. Ebenso hat er genug Menschenleben auf dem Gewissen.

Dass er ein erbarmungsloser Diktator war, ändert aber nichts daran, dass eine Demokratie sich eben genau hier von diktatorischen Regimen unterscheidet – oder unterscheiden sollte: Dass sie ihre Gegner nicht einfach beiseite räumt, sondern ihnen einen Prozess einräumt, so diese Verbrechen begangen haben. Nicht die Idee der Rache ist es, die als Maßstab gilt, sondern Gerechtigkeit. Es wiederspricht meiner Vorstellung von Gerechtigkeit, einem Menschen das Leben zu nehmen, nur weil seine Verbrechen dies rechtfertigen würden. Kurz gesagt: Nur weil jemand erbarmungslos war, heißt das noch lange nicht, dass man auch erbarmungslos werden muss.

Eine Demokratie ist nur dann glaubwürdig, wenn sie ihre Werte nicht verrät, nur weil dies vielleicht opportun ist oder gut tun würde. Nein, Menschenrechte wie das Recht auf einen fairen Prozess und die Unverletzbarkeit des Lebens dürfen nicht dem Bedürfnis nach emotionaler Genugtuung geopfert werden.

Abgesehen davon gibt es für mich noch einen weiteren Grund, warum ich diese Hinrichtung für einen Fehler halte: Es wurde in dem Prozess gerade einmal ein Teil der Verbrechen behandelt, die von Saddam befohlen wurden. Die noch offenen Anklagen werden nun nicht weiter verfolgt. Damit aber wird dem Irak eine Gelegenheit genommen, sich mit diesem dunklen Kapitel der Vergangenheit auseinander zu setzen, es zu verarbeiten. Das aber wäre aus meiner Sicht eine notwendige Bedingung dafür, dass sich eine Gesellschaft irgendwann einmal versöhnen kann. Dieser Prozess dauert lange genug, so er angesichts der bestehenden Spannungen im Irak überhaupt in naher Zukunft möglich ist.

Mit dem Tod des Ex-Diktators ist zwar garantiert, dass er selbst nicht mehr seine Opfer verhöhnen kann. Die Folgen seiner Herrschaft aber werden damit nicht beseitigt. Mit diesen aber muss sich die irakische Gesellschaft auseinander setzen. Statt den Prozess gegen den Ex-Diktator als eine Möglichkeit dafür zu nehmen, hat man dazu beigetragen, dass Saddam zum Märthyrer werden kann – schon gar wenn man die Rahmenbedingungen denkt, in denen die Hinrichtung traurigerweise statt fand.