zepBis vor kurzem bedeutete für mich die Abkürzung „ZEP“ nur „Zone d´éducation prioritaire“. Diesen seltsamen Namen erfand der französische Staat für Gebiete meist in den Banlieues, was eigentlich dazu führen sollte, dass die Schulsituation dort besser wird, auf dass auch die Chancen der dort lebenden Jugendlichen sich verbessern mögen. Letztlich aber bezeichneten sie dann doch wieder nur Problembezirke, denn die LehrerInnen wollten dort nicht hin, die ArbeitgeberInnen wollten AbsolventInnen der dortigen Schulen nicht haben, bei den Aufnahmeprüfungen für die Unis hatten sie die schlechteren Karten. Kurz und schlecht: Der Schuss ging nach hinten los.

Doch seit kurzem steht für mich ZEP für Musik und hat einen ausgesprochen positiven Klang, denn die Abkürzung steht nun auch für „Zone d´expression populaire“ und ist der wohl nicht ganz zufällig ähnliche Name einer Musikgruppe, die es versteht zu unterhalten. Sie waren der krönende Abschluss des ersten Tags des Paris-Aufenthalts, zu dem ich mit meiner Arbeitskollegin Petra aufgemacht hatte – und ich kann nur sagen:  Sie sind ein Spaß! Eine Truppe, die mit politischem Anspruch und dem erfrischenden Selbstbewusstsein der jungen Generation mit Migrationshintergrund auftritt. Aber am besten selbst reinhören!

Leider gibt es aber einen großen schwarzen Fleck, nämlich ihre Position gegen Israel, die sich leider in die typische anti-imperialistische Haltung einreiht. Sie identifizieren sich mit Kampf Palestinas, der angeblich sogar in ihren „genetischen Code eingeschrieben“ sei. Israel setzen sie mit dem kolonialen Frankreich gleich und erklären es zum illegalen Staat erklärt, setzen den Tsahal, die in Frankreich gängige Bezeichnung für die israelische Armee, mit den Nazis gleich und erklären, ihre Position sei „nicht humanitär“, sondern ausschließlich solidarisch mit ihren palästinensischen Brüdern. Ausgesprochen schade, dass ihre anti-rassistische Haltung hier halt macht!

So weit ich bei meinen bisherigen Internet-Recherchen feststellen konnte, sorgte allerdings ein ganz anderes Lied für Aufregung, nämlich „Nique la France“, zu Deutsch „Fick Frankreich“. Anfang des Jahres forderte ein Regionalpolitiker der Sarkozy-Partei UMP, den Auftritt von ZEP auf einem Festival in der Nähe von Poitiers wegen eben jenes Liedes zu verbieten. Der Auftritt fand statt, aber die Polemik zeigt, wie schwer man sich auch in Frankreich damit tut, dass nun die Kinder der MigrantInnen sich gegen Frankreich auflehnen, das sie bislang als ablehnend erlebt haben und die für sich reklamieren: „Première, deuxième, troisième génération, on s´en fout, on est chez nous“.

Links:

Homepage von ZEP

Interview mit Saïdou, dem Sänger von ZEP

Interessanter Artikel in der Zeitung Sud-Ouest zu anderen Sängern wie Brassens, Renaud oder Gainsbourgh, die mit ihren Liedern in der Vergangenheit für Aufregung gesorgt haben: www.sudouest.fr

Bericht von France 3 über die Forderung nach einem Auftrittsverbot: http://nord-pas-de-calais.france3.fr

Noch ein nettes Musik-Video von Ministère d´affaires populaires, der früheren Truppe des ZEP-Sängers Saïdou: www.youtube.com

Und zum Schluss noch eine Bandkritik

Hintergrundinfos zu den Zones d´éducation prioritaire

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/schwerpunktschule/790822/

http://www.migration-boell.de/web/diversity/48_2672.asp

Und zum Schluss noch ein Artikel von mir über die Bemühungen der Eliteuni Sciences Po, mehr Studierende aus eben jenen ZEPs und anderen so genannten Problembezirken zu bekommen: http://derStandard.at/2257534