Erst wurden Einzelpersonen oder kleine Gruppen, später wurden im Prater bis ins 20. Jahrhundert hinein Völkerschauen ausgerichtet. Erschienen in: www.m-media.or.at

***

„Wir dürfen nichts anziehen, Herr, keine Schuhe, nichts, sogar ein Kopftuch müssen wir ablegen… Wilde müssen wir vorstellen, Herr, Afrikaner. Ganz närrisch ist es. In Afrika können wir so nicht sein. Alle würden lachen.“ Diese Worte stammen von einem jener „Ashanti“, die im Wiener Prater Ende des 19. Jahrhunderts ausgestellt wurden. Aufgezeichnet hat sie der Wiener Schriftsteller Peter Altenberg. Er besuchte im Sommer 1896 fast täglich das „afrikanische Dorf“, das dort in diesem und dem darauf folgenden Jahr ausgestellt worden war. Wie wenig es mit der Realität zu tun hatte, hält Altenberg in seinem Buch „Ashantee“ ebenfalls fest: „In solchen Hütten wohnt niemand“, sagt darin dieselbe Person. Doch so offen er diesen Schwindel damit dokumentiert, so wenig sparte der Schriftsteller sonst mit rassistischen Vorurteilen.

Dass „Menschenzoos“ wie diese in der Vergangenheit das Bild mitgeprägt haben, das man sich in Europa von Afrika gemacht hat, liegt auf der Hand. Dass dieser Teil der Vergangenheit auch rassistische Vorurteile von heute beeinflusst, ist Thema einer Ausstellung, die dieses Jahr in Paris zu sehen war (siehe Interview mit Lilian Thuram). Darin wurde die Ausstellung von als „Wilde“ konstruierte Menschen etwa in Kolonialausstellungen, auf Jahrmärkten oder in „Völkerschauen“ in den USA, Frankreich, Belgien oder aber Deutschland aufbereitet.

Doch wie die Beschreibung von Altenberg zeigt, fanden solche Zurschaustellungen nicht nur auf dem Boden der früheren Kolonialmächte statt. „Die Habsburger haben immer versucht, Kolonien zu erobern oder erwerben, gelungen ist ihnen das nicht“, erzählt der Wiener Historiker Walter Sauer. „Doch die Medienlandschaft war klar kolonial. Und es gab auch in Österreich Zurschaustellungen in verschiedener Form. Man kann also nicht sagen: Das geht uns nichts an“, hält der Historiker fest.

Zurschaustellungen in der Wiener Innenstadt

„Schauplatz“ war zu Beginn die Wiener Innenstadt. „Im 18. Jahrhundert gab es dort viele Zurschaustellungen. Das fand meistens im Freien statt, es wurden meistens Einzelpersonen, manchmal auch zwei bis drei Personen ausgestellt“, so Sauer. Die erste Ausstellung eines Außereuropäers habe es in den 1670er Jahren gegeben. „Er war offenbar aus Südafrika und wurde als ‚Hottentotte’ bezeichnet“, so Sauer.

Im Laufe der Zeit wanderten die Ausstellungen zunehmend in die Leopoldstadt, etwa in die Praterstraße, erzählt der Historiker. Außerdem wurden die Menschen nicht mehr auf der Straße, sondern in Kaffee- und Wirtshäusern ausgestellt. Als dann der Prater als Vergnügungsviertel etabliert wurde, konnte man dort auch „Wilde“ „besichtigen“. „Vermutlich auf der Jesuitenwiese gab es den Tiergarten ‚Am Schüttel’, der 1870/1880 pleite gegangen ist. Auf dem frei gewordenen Gelände wurden im Sommer Gruppen außereuropäischer Menschen ausgestellt, ob ‚Indianer’, ‚Eskimos’, Afrikaner: Alles, was exotisch war“, so Sauer.

Inuit vollführt Kunststücke im Teich vor dem Belvedere

„Ausgestellt“ wurden dabei keineswegs nur Schwarze. Das erste Objekt der Pariser Ausstellung etwa war ein Bild von einer Gruppe von GrönländerInnen, die an den dänischen Hof verschleppt wurden. Auch in Wien wurde ein Inuit-Ehepaar in einem Wirtshaus ausgestellt, berichtet Sauer. Außerdem führte der Mann im Teich vor dem Eingang des Schloss Belvederes mit einem traditionellen Boot, angeblich aus Fell, Kunststücke vor. „Er hat damit Manöver gemacht oder Schwäne geschossen, und zwar ohne Fehlschuss“, beschreibt der Historiker. Um sie zu sehen, musste man Eintritt zahlen, und die Kommentare der BesucherInnen seien durchaus bewundernd gewesen.

Anfang des 19. Jahrhunderts wurden diese „Völkerschauen“ laut Sauer zu einer Sensation für die breite Masse. Zwischen 1874 und 1914 gab es in Wien fast jedes Jahr eine Völkerschau, die fand im Jahr 1929 statt. Warum diese in Österreich zu einem Ende kamen, sei nicht klar, so Sauer. In anderen Ländern fanden sie jedenfalls länger statt: Bis Mitte der 1930er Jahre waren „Menschenzoos“ Teil von Welt-, Kolonial- und Landesausstellungen.

Kontinuitäten bis heute

Die letzte große Zurschaustellung von Menschen fand bei der Weltausstellung in Brüssel im Jahr 1958 statt. Die Organisatoren mussten das dort aufgestellte kongolesische Dorf allerdings nach Protesten schließen. Doch damit ist die Geschichte keineswegs zu Ende. Im Jahr 2005 sorgte der Zoo der deutschen Stadt Augsburg für einen Skandal: Man hatte eine Veranstaltung namens „African Village“ ausgerichtet – um die Reiselust zu wecken, so die Veranstalter. Menschen wurden dort zwar keine ausgestellt, doch die üblichen Klischees über Afrika bedient, ganz zu schweigen davon, wie bedenklich es ist, dies in einem Tiergarten zu veranstalten. Gerade im Zusammenhang mit Reisen werden bis heute ähnlich realitätsfremde Bilder gezeichnet, wie sie der Ashanti in Altenbergs Buch beklagt. Doch nicht nur da. Die früher entworfenen Bilder der „anderen“ prägen Vorurteile bis heute mit, ist auch Historiker Sauer überzeugt.