Durch die Wahl von Demetris Christofias zum Präsidenten der Republik Zypern ist Bewegung in den Zypern-Konflikt gekommen. Im Interview spricht der Politikwissenschaftler Joseph S. Joseph von der University of Cyprus darüber, ob es sich nur um atmosphärische Veränderungen handelt oder ob tatsächlich eine Lösung gefunden werden könnte.
Seit der Wahl von Dimitris Christofias zum neuen Präsidenten scheint sich im Süden geradezu ein Richtungswechsel zu vollziehen. Hat dieser auch Substanz oder ist es mehr eine atmosphärische Veränderung? Nein, das ist nicht nur eine kosmetische Veränderung, sondern auch eine substanzielle: Es gibt nun auf beiden Seiten den ganz klaren Willen, die Situation zu verändern.
Auch der Vorgänger von Christofias, Tassos Papadopoulos, hat stets beteuert, er wolle eine Lösung. Was macht Sie so zuversichtlich, dass die Zeichen nun besser stehen?
Weil gerade auf Zypern viel von den handelnden Personen abhängt. Christofias und Papadopulos sind zwei grundverschiedene Charaktäre, sie haben verschiedene persönliche Qualitäten und vor allem einen völlig unterschiedlichen politischen Hintergrund.
Gerade das Zypern-Problem liegt in der Kompetenz der politischen Führer beider Seiten und nun ist Christofias am Zug und kann Politik nach seinen Vorstellungen machen.
Worin bestehen die Unterschiede zwischen den beiden Präsidenten?
Papadopoulos war als Hardliner bekannt, um nicht Nationalist zu sagen. Sein Bekenntnis zu einer Lösung war aus meiner Sicht reine Rhetorik.
Christofias wiederum hat vor allem eine Qualität: Er ist ein sehr konsensueller Mensch, der die Konfrontation nicht mag, sondern lieber Brücken baut. Zudem hat die AKEL (die Partei von Christofias, Anm.) traditionell gute Beziehungen zu den türkischen Zyprioten und hat immer eine Kultur der Annäherung gelebt. Christofias selbst war ein starker Anhänger dieser Politik.
Wenn dem so ist, warum hat dann die AKEL Papadopoulos im Jahr 2003 als Präsidentschaftskandidaten unterstützt?
Die AKEL dachte wohl, sie könne mehr Druck auf ihn ausüben. Zypern aber hat ein präsidentielles System, wenn der Präsident einmal gewählt ist, kann er tun, was er will. Das soll nur eine Erklärung sein, keine Rechtfertigung.
Die Hürden, die schon den Annan-Plan zum Scheitern gebracht haben, bleiben allerdings weiterhin bestehen. Glauben Sie, dass es wirklich nur von einer Person abhängt, dass sie leichter überwunden werden können?
Die Hürden sind nicht unüberwindbar es gibt auf jeden Fall noch einen Verhandlungsspielraum. Außerdem ist der Druck gestiegen, weshalb es auch eine größere Bereitschaft gibt Kompromisse einzugehen. Beide Seiten haben realisiert, dass sie keine anderen Optionen, keine Zeit und vielleicht sogar keine weitere Gelegenheit mehr haben, um eine Lösung zu finden. Entscheidend aber ist, dass es den politischen Willen gibt, die Schwierigkeiten zu überwinden und das Ende der Teilung zu erreichen.
Ich selbst bin davon überzeugt, dass eine Lösung gefunden werden kann. Diese schöne Insel ist zu klein, um geteilt zu sein, aber groß genug, um den verschiedenen Interessen Rechnung tragen zu können.
Von Bedeutung ist vor allem, dass es keine Animositäten oder offenen Feindseligkeiten zwischen den Menschen auf beiden Seiten gibt. Die Menschen sind sehr glücklich, ihre Nachbarn von der anderen Seite der Mauer kennen zu lernen. Das ist eine wesentliche Grundlage, um eine Lösung Schritt für Schritt umsetzen zu können. Allein wenn man sich die Öffnung der Ledra Street ansieht: Zwischen Israelis und Palästinensern würde das nicht so problemlos ablaufen.
Der türkisch-zypriotische Volksgruppenführer Mehmet Ali Talat besteht auf dem Annan-Plan als Basis für etwaige Verhandlungen, Christofias hat dies bereits zurückgewiesen. Es scheint, als könnten sich die beiden noch nicht einmal auf die Basis einigen, auf der Verhandlungen überhaupt erst begonnen werden können?
Bleiben wir pragmatisch: Die politische Rhetorik ist eine Sache, die Realität eine andere. Talat musste dies fordern, genauso wie Christofias das ablehnen musste. Ich bin mir sicher, dass die beiden ganz genau wissen, dass sie nichts zurückweisen können, das schon vorher ausgearbeitet wurde wie eben der Annan-Plan. Die grundlegenden Prinzipien dieses Plans müssen natürlich Grundlage von Verhandlungen sein.
Als Akteur spielt die Türkei eine wichtige Rolle, wie schätzen Sie die Position Ankaras ein?
Hier haben wir immer noch positive Vorzeichen, immerhin hat man in der Türkei – zumindest auf politischer Ebene – inzwischen akzeptiert, dass es ein Zypern-Problem gibt, das gelöst werden muss. Das ist eine wesentliche Veränderung, denn die Regierungen vor Erdogan vertraten immer die Position, dass es gar kein Problem gibt, sondern dass es 1974 gelöst wurde.
Zugleich aber kann keine türkische Regierung das Thema auf die leichte Schulter nehmen, denn das wäre politischer Selbstmord.
Der türkische Generalstabschef, Jasar Büyükanit, hat bereits ausgeschlossen, dass die Türkei die Truppen so bald abziehen würde. Genau dieser Punkt aber ist im griechischen Teil sehr wesentlich. Wie kann dieser Widerspruch Ihrer Ansicht nach aufgelöst werden?
Wenn es eine Lösung gibt, wird das türkische Militär abziehen müssen. Natürlich wird niemand fordern können, dass sie innerhalb von drei Monaten abziehen. Hier geht es darum, die richtige politische Formel zu finden, die sowohl die Generäle in Ankara als auch die griechischen Zyprioten akzeptieren können.
Wie schätzen Sie die Bereitschaft der griechischen ZypriotInnen ein, eine Lösung zu akzeptieren?
In Wahrheit hängt den Menschen das Zypern-Problem zum Hals raus und sie sind ganz definitiv bereit für eine Lösung, um alles endlich hinter sich lassen zu können. Wenn die politischen Verantwortlichen auf beiden Seiten an die Öffentlichkeit treten und überzeugend darlegen können, dass die erzielten Kompromisse die einzig mögliche Lösung sind, werden sie auch die Menschen akzeptieren.
Warum hat dann auch die AKEL 2004 für ein Nein geworben?
Die AKEL war in dieser Frage gespalten, 50 Prozent waren für ein Ja, 50 Prozent für ein Nein. Damals bestand gar die Gefahr einer Teilung der Partei, weshalb die Positionierung der Partei ein ziemlicher Balanceakt war.
Ein anderer Aspekt ist, dass sie wollten, dass der Annan-Plan mit einer großen Mehrheit angenommen wird. Sie wollten nicht, dass im Süden nur 55 Prozent mit Ja stimmen. Daher haben sie Nein gesagt mit dem Ziel, danach eine bessere Lösung zu finden.
Die UNO soll wieder vermitteln, ist das eine gute Entscheidung, schließlich ist die UNO-Vermittlung beim letzten Mal gescheitert?
Es gibt schlichtweg keine Alternative. Theoretisch könnte die EU vermitteln, bloß würde die Türkei das nie akzeptieren.
Mit welchen weiteren vertrauensbildenden Maßnahmen rechnen Sie?
Ein guter Schritt wäre, wenn die türkischen Truppen aus Nikosia abziehen würden. Das wäre nicht nur sehr hilfreich, sondern zugleich auch ein guter Test, wie weit die Türkei bereit ist, sich zu bewegen.
[…] Chance nutzen, denn wie der zypriotische Politikwissenschaftler Joseh S. Joseph im April in einem Interview mit mir meinte, könnte es die letzte Gelegenheit für sie sein. Sollten diese Verhandlungen […]