Mir fehlen immer noch die Worte, um auszudrücken, was ich angesichts der Terrorakte empfinde, die vergangene Woche auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo und den Hyper Cacher verübt wurden. In Wahrheit fehlen sie mir bis heute und ich stelle fest, dass sich mir immer mehr Fragen stellen, auf viele davon habe ich bisher keine Antwort gefunden.

Als ich die Schlagzeile gelesen habe, war ich zutiefst erschüttert. Ja, Charlie Hebdo bzw. seine MacherInnen waren schon lange im Visier von Terroristen. Dass diese aber tatsächlich zur Tat schreiten würden, daran haben anscheinend nicht einmal die Charlie Hebdos geglaubt, sonst hätten sie es mit ihrer Bewachung ernster genommen, als sie dies zumindest laut Medienberichten bisweilen getan haben. Vielleicht wollten sie es nicht näher an sich herankommen lassen, weil sie sich nicht einschüchtern lassen wollten.

Genau deshalb habe ich sie bewundert. Dafür, dass sie sich einfach nicht gebeugt haben – weder nachdem ihre Redaktion Ziel eines Brandanschlags geworden war, noch angesichts unzähliger Morddrohungen. Manche würden sagen, sie haben ihre Linie stur weiterverfolgt und sich so selbst in Gefahr begeben. Andere würden sagen: Sie haben Rückgrat bewiesen. Ich muss wohl nicht mehr betonen, dass ich mich zu Letzteren zähle.

„Aber ihre Karikaturen waren islamophob, respekt- oder geschmacklos“, führen nun manche ins Feld – natürlich nicht ohne sofort zurückzurudern und zu bekräftigen: „Das darf kein Grund für einen Mord sein.“ Nun kann man über ihre Karikaturen in der Tat trefflich streiten, wenn man es nicht sogar muss, denn genau das war schließlich ihr Ziel. Anders als so viele andere, die sich nun ihres Gedenkens bemächtigen, wollten sie Menschen nicht gegeneinander aufhetzen bzw. Gruppen ausgrenzen. Vielmehr wollten sie immer und immer wieder Diskussionen lostreten.

Ich bin nach wie vor zutiefst erschüttert, dass Kollegen ihr Leben lassen mussten, deren Waffe nicht mehr und nicht weniger als eine spitze Feder war – der mit einer tödlichen Kalaschnikow begegnet wurde. Immer wieder stelle ich mir das vor: Ich schreibe etwas, von dem ich zutiefst überzeugt bin, und werde auf einmal genau deshalb mit dem Tode bedroht. Was tun? Als überzeugte Demokratin und als Journalistin, die sich selbst als kritisch versteht, dürfte mich das nicht beeinflussen – ganz so, wie es die ermordeten Mitglieder der Charlie Hebdo-Redaktion gehalten haben. So weit die Theorie. Und in der Praxis? Ich befürchte in der Tat, dass ich da nicht ganz so mutig wäre, geschweige denn, wenn die Sicherheit von MitarbeiterInnen in Frage stünde. Nur: Was, wenn nicht das ist ein Kniefall vor den Terroristen? Klar, ich habe leicht reden. Umso mehr Bewunderung habe ich für diese Satiriker, die sich wortwörtlich ins Schussfeld begeben haben und letzlich tatsächlich von Schüssen getroffen wurden.

Zuletzt keimte eine andere Diskussion auf: Kaufen sich Menschen wie ich, die „Je suis Charlie“ als Profilbild auf Facebook und Twitter hochgeladen haben, ein gutes Gewissen? Oder kaufen sich jene Medien frei, die nun lautstark für die Meinungsfreiheit eintreten, ohne selbst in einer ähnlichen Gefährdungssituation zu sein? Ist es nicht einfach nur feig, sich hinter diesen mutigen Menschen zu ducken, indem man nach ihrer Ermordung ein solches Bekenntnis abgibt?

Mich befreumdet das. Das mag auch daran liegen, dass ich das sehr berührende Interview mit dem früheren Chef von Charlie Hebdo angesehen habe, in dem er sich mit Tränen erdrückter Stimme wünschte, dass sich alle Welt im Gedenken an seine ehemaligen Kollegen bzw. vielmehr Freunde „Charlie“ nennen möge. Dieser Wunsch wurde ihm auf eine Art und Weise erfüllt, die auch ihm möglicherweise nicht mehr ganz geheuer war. Nur soll ich mich davon beeindrucken lassen?

Nun habe ich mein Profilbild schon sehr früh gewechselt, per Zufall, weil ich von dem Attentat  früh erfahren habe – aber auch weil Frankreich meine zweite Heimat ist und ich von daher stets intensiv mitlebe, was dort passiert. Habe ich es getan, weil ich für mich beanspruchen würde etwas ähnliches zu tun wie die ermordeten Charlie Hebdos? Nichts läge mir ferner! Meine Motivation war eine völlig andere: Ich wollte Solidarität bekunden. Solidarität mit den Opfern und ihren Angehörigen. Solidarität mit meinen FreundInnen und Bekannten in Frankreich. Solidarität mit den BewohnerInnen Frankreichs, so absurd oder pathetisch das klingen mag. Und Solidarität mit allen, die von diesen Anschlägen ebenso erschüttert waren wie ich. Wer auch immer dieses Bild ebenfalls hochgeladen hat, gab mir ein ebensolches Gefühl der Solidarität. Klar, es ist nur ein Symbol und es kann auch nichts anderes sein. Muss es auch nicht, denke ich.

Deshalb sage ich einmal mehr: Oui, je suis Charlie! Je suis Ahmed! Je suis juive! Je suis flic! Je suis solidaire avec tous les hommes et femmes qui se sentent concernées de cet attentat affreux!

RIP Stéphane Charbonnier („Charb“), Jean Cabut („Cabu“), Bernard Verlhac („Tignous“), Philippe Honoré, Georges Wolinski, Bernard Maris („Oncle Bernard“), Mustapha Ourrad, Michel Renaud, Elsa Cayat, Frédéric Boisseau, Ahmed Merabet und Franck Brinsolaro. RIP Yoav Hattab, Philippe Braham, Yohan Cohen, François-Michel Saada, die nicht zur falschen Zeit am falschen Ort waren, sondern leider Opfer der Terroristen wurden, weil sie Juden waren.