„Wir haben von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends gearbeitet, jeden Tag in der Woche, für 20 Euro am Tag. Wir durften keine Pausen machen, nicht einmal um zu essen. Wir aßen die Orangen von den Sträuchern.“ Mit diesen Worten schildert Kojo, ein Landarbeiter aus dem Togo, die Arbeitsbedingungen auf einer Plantage im süditalienischen Rosarno. Nachzulesen ist seine Aussage in einem Bericht von Amnesty International über die Lebens- und Arbeitsbedingungen von MigrantInnen in Italien, die auf den Feldern unter schwerem körperlichen Einsatz für einen Hungerlohn Obst und Gemüse ernten.
Kojo arbeitet in jenem Ort, der vor zwei Jahren negative Schlagzeilen machte, als Proteste von MigrantInnen eskalierten, was BewohnerInnen zum Anlass nahmen, eine Menschenjagd auf die dort lebenden afrikanischen MigrantInnen zu machen. Zwei Jahre später begab sich Amnesty erneut vor Ort, um die Lage zu überprüfen. Das Ergebnis: Zwar hatten sich die Lebensbedingungen verbessert, in erster Linie allerdings nicht durch staatliche Bemühungen, sondern dank des Einsatzes von NGOs.
An der Ausbeutung der LandarbeiterInnen aber hat sich nur wenig geändert. Dabei ist Rosarno wohl nur ein Ort von vielen, an dem MigrantInnen ausgebeutet werden. Amnesty machte sich in zwei weiteren Provinzen ein Bild von der Lage, in Latina südlich der Hauptstadt Rom sowie in Caserta nördlich von Neapel. Das ernüchternde Ergebnis: Ausbeutung von MigrantInnen ist weit verbreitet. Das heißt: Bezahlung unterhalb des Mindestlohns (zwischen 15 und 25 Euro pro Tag, wobei oft 5 Euro für den Transport zum Arbeits- platz abgezogen werden); willkürliche Lohnabzüge sowie verzögerte bis hin zu ausbleibenden Zahlungen; sehr lange Arbeitszeiten (bis zu 14 Stunden). Dazu kommen menschenunwürdige Massenunterkünfte, oft ohne fließend Wasser, Strom oder Heizung.
Kriminelle Machenschaften
Doch es sind nicht nur ArbeitgeberInnen, die sich die prekäre Situation der MigrantInnen zunutze machen. Amnesty weist einen kausalen Zusammenhang zwischen der Ausbeutung der ArbeiterInnen und der Migrationspolitik der italienischen Regierung nach. MigrantInnen brauchen eine Zusage des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin, um überhaupt ein Visum beantragen können. Das wird von GeschäftemacherInnen in Italien sowie in den Heimatländern ausgenutzt.
Ein weiteres Problem: Die bürokratischen Mühlen mahlen meist so langsam, dass es für ArbeitgeberInnen attraktiver ist, auf in Italien lebende illegale MigrantInnen als Arbeitskräfte zurückzugreifen. Diese sind erst recht dem Goodwill der ArbeitgeberInnen ausgeliefert. „Ich habe in den ersten vier Jahren, die ich in Italien war, in einer Fabrik gearbeitet, in der Kartoffeln und Zwiebeln für den Export verpackt wurden. Ich bekam 800 Euro pro Monat für 12 bis 14 Stunden Arbeit pro Tag. Es war wirklich harte Arbeit. Mein Arbeitgeber erklärte mir, wenn ich hart und gut arbeiten würde, wür- de er mir Papiere besorgen – doch ich habe diese nie erhalten“, erzählt der indische Arbeiter Hari im Amnesty-Bericht.
Der Bericht zum Download: http:// amnesty.org
Hinterlasse einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar schreiben zu können.