Gestern Abend war für mich Politik angesagt, und zwar war ich bei einer Veranstaltung, bei der John Mearsheimer und Steven Walt mit Anton Pelinka über ihr umstrittenes Buch „Die Israel-Lobby“ debattierten. Eine irritierende Debatte, fand ich. Vor allem aber war ich überrascht darüber, dass diese beiden renommierten US-Wissenschaftler ein so heikles Thema wie jenem über den Einfluss pro-israelischer Lobbies nicht mit mehr Substanz bearbeitet haben.

Nicht nur vertreten die beiden eine sehr einseitige Position in Bezug auf den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, sondern sie geben sich selbst auch noch als vermeintliche Opfer einer Verschwörung dieser pro-israelischen Lobby. Sehr enttäuschend, denn was sie über diese Lobby und deren Aktivitäten schreiben, ist durchaus spannend. Welche Schlüsse sie daraus ziehen, ist jedoch ziemlich fragwürdig, hier mein Komment@r für derStandard.at:

„Israel-Lobby“: Interessant, aber nicht überzeugend
Das Buch der US-Wissenschaftler Mearsheimer und Walt ist über weite Teile recht spannend, ihre Schlüsse aber sind fragwürdig

Defensiv gaben sich die beiden Autoren des umstrittenen Buches „Die Israel-Lobby“, John Mearsheimer und Steven Walt, bei ihrem Auftritt in Wien. Nein, sie seien keine Antisemiten. Nein, sie würden das Existenzrecht Israels nicht in Frage stellen, sondern nur die bevorzugte Beziehung der USA zu Israel.

Natürlich ist es interessant darüber informiert zu werden, wer diese von den Autoren genannte „Israel-Lobby“ ist. Nichts daran ist automatisch antisemitisch. Ebenso ist es interessant zu lesen, wie die Akteure ihren Einfluss einsetzen über wie viel Geld sie verfügen.

Welche Schlüsse die beiden Autoren aber aus diesen Bescheibungen ziehen, ist ebenso fragwürdig wie die Art und Weise, wie sie zu ihnen kommen: Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton bezeichnet die Lobby als „ungeheuer einflussreich“, ebenso der Republikaner Newth Gingrich und schon gar deren wichtigster Vertreter, die AIPAC (American Israel Public Affairs Committee), selbst. Das allein reicht aber nicht aus als Beleg für die große Macht der Lobby. Das viel grundlegendere Problem am Unternehmen der beiden US-Wissenschaftler ist aber genau die Frage, wie sich der Einfluss einer Lobby wirklich wissenschaftlich messen lässt? Kein leichtes Unterfangen, und Mearsheimer und Walt werden ihm mit ihrem Buch einfach nicht gerecht.

Anderes Beispiel: Sie stellen fest, dass die israelische Regierung für den Irak-Krieg gewesen sei. Auch dass Vertreter der „Israel-Lobby“ für den Irak-Krieg eingetreten sind, klingt noch plausibel. Daraus aber den Schluss zu ziehen, dass sie deshalb auch dafür verantwortlich sei, dass die Bush-Regierung die Entscheidung für den Krieg getroffen hat, ist wenig überzeugend und wurde von den beiden auch bei der Veranstaltung des Renner-Instituts nicht schlüssig erklärt.

Im Buch ist nichts antisemitisch, beteuern die beiden. Das reicht aber nicht bei einem Thema, von dem Mearsheimer und Walt selbst immerhin feststellen, dass man es nur vor dem Hintergrund von Jahrhunderten der Judenverfolgung und des Judenhasses diskutieren kann, geschweige denn vor dem Hintergrund des nach wie vor existierenden Antisemitismus. Mehr als diese Beteuerung aber liefern sie (leider) nicht.

Dass sie sich selbst zu Märtyrern machen, macht sie noch schließlich unglaubwürdig. Weil sie eine unangenehme Wahrheit ansprechen, tue die Israel-Lobby alles, um sie mundtot zu machen. Artikel würden nicht publiziert, Veranstaltungen abgesagt und so weiter. Warum? Genau wisse man das natürlich nicht, aber… Damit drehen sie den von ihnen angeprangerten Mechanismus um: Jede Kritik an ihrem Werk ist mit der Antisemitismus-Keule gleichzusetzen.

Vielleicht aber fand jene Publikation ihr Werk einfach nicht schlüssig genug, vielleicht fand jener Veranstalter ihre Aussagen einfach zu problematisch. Vielleicht auch hat sich der eine oder der andere von der Israel-Lobby beeinflussen lassen. Es aber allein auf den einen Mechanimus zu reduzieren, erinnert leider sehr an die Verschwörungstheorie vom allmächtigen Juden. Dass sie das nicht wollen, ist glaubhaft, hilft aber leider nicht.

Mearsheimer und Walt hätten sich besser auf die Analyse der Israel-Lobby beschränken sollen, dann wäre dieses Buch tatsächlich ein interessanter Beitrag zur Debatte. So aber ist es ein Buch, das zwar den Anspruch erhebt, eine Änderung der US-Politik gegenüber Israel herbeiführen zu wollen, aber keine überzeugenden Argumente dafür liefert.