Die griechisch-zypriotische Bürgermeisterin Eleni Mavrou im derStandard.at- Interview die viel zu lange dauernde Teilung der Insel. Ein Interview für derStandard.at
Seit zwei Wochen ist der neue Grenzübergang an der Ledra Street geöffnet, der den türkischen und den griechischen Teil von Nikosia direkt verbindet. Im derStandard.at-Interview spricht die Bürgermeisterin des griechischen Teils darüber, warum eine Wiedervereinigung für die zypriotische Hauptstadt und ihre BewohnerInnen von Vorteil wäre, über die Zusammenarbeit beider Teile der Stadt und warum die Eröffnung des Übergangs an der Ledra Street so bedeutend ist. Sonja Fercher aus Nikosia.
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derStandard.at: Nun finden die ersten Gespräche über die Wiedervereinigung auf der Ebene von Arbeitsgruppen statt. Wie ist die Lage in Nikosia?
Mavrou: Auf dieser Ebene wurde die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten eigentlich nie wirklich unterbrochen, sondern die Kontakte wurden fast unmittelbar nach 1974 (als die Teilung der Insel manifestiert wurde, Anm.) wieder aufgenommen. In gewisser Hinsicht ist Nikosia gar nicht geteilt: Es begann mit dem gemeinsamen Stromnetz, dann wurden Kanäle gebaut, die durch beide Seiten führen, und schließlich hat ein bikommunales Team den Masterplan von Nikosia erarbeitet, der die Erhaltung und Restaurierung des historischen Stadtzentrums zum Thema hat. Dieses Team hat selbst in politisch schwierigen Zeiten seine Arbeit fortgesetzt.
Letztlich lassen sich bestimmte Probleme, mit denen eine Stadt konfrontiert ist, nicht im Alleingang lösen. Vergangenes Jahr gab es zum Beispiel eine Moskitoplage. Die machen an einer Grenze schließlich nicht Halt, wenn wir also Maßnahmen setzen und sie das Gleiche nicht auch im Norden machen, bringt das gar nichts.
derStandard.at: Wird gerade in Nikosia nicht sehr deutlich, wie paradox die Teilung der Insel ist?
Mavrou: Die Pufferzone (das von der UNO beaufsichtigte Niemandsland zwischen beiden Teilen, Anm.) beeinträchtigt die Lebensqualität der Menschen auf beiden Seiten. Dort gibt es Ratten, Schlangen und so weiter. Deshalb hat die Öffnung der Ledra Street vom Blick der Stadtpolitik aus gesehen sehr positive Auswirkungen. Damit wird das historische Zentrum Nikosias wiederbelebt; das wiederum ist positiv für die wirtschaftliche Aktivität. Letztlich zeigt das den Menschen – wenn alles so problemlos weitergeht wie jetzt –, dass die Wiedervereinigung für beide Seiten von Vorteil sein könnte.
derStandard.at: Man darf nur in beschränktem Ausmaß Waren in den griechischen Teil mitnehmen, die man im türkischen Teil gekauft hat. Ist die derzeitige Öffnung nicht eigentlich eher für die griechischen Zyprioten von Vorteil?
Mavrou: Ich erinnere mich, dass griechisch-zypriotische Geschäftsleute vor der Öffnung der Ledra Street besorgt waren, dass Menschen im Norden die billigeren Produkte kaufen würden. Aber es stellt sich heraus, dass das nicht so funktioniert. Die Statistiken seit der Öffnung im Jahr 2003 zeigen, dass beide Seiten davon profitieren.
derStandard.at: Völlig problemlos ging es ja auch nicht vor sich, schon am Tag der Öffnung des Grenzübergangs wurde er von den griechisch-zypriotischen Behörden vorübergehend geschlossen, nachdem türkisch-zypriotische Polizisten die Pufferzone betreten hatten. Haben Ihre Leute da nicht etwas nervös reagiert?
Mavrou: Aber alle hatten doch ihre Anweisungen. Es gab eine Übereinkunft, wonach die Pufferzone unter der Autorität der UNO stehen würde. Daher mussten wir noch einmal die Regeln klarstellen, nach denen die Öffnung vereinbart wurde, damit solche Dinge nicht noch einmal passieren.
Zugleich könnte man dem entgegenhalten, dass es an den anderen fünf Grenzübergängen, die seit 2003 geöffnet wurden, bislang keine Probleme gegeben hat. Dennoch, die Ledra Street ist nicht irgendein Übergang, sondern es ist eine sehr sensible Stelle, schließlich liegt sie im Herzen der Stadt. Alle andere Übergänge liegen ein wenig abseits.
Ich kann natürlich nicht mit Gewissheit sagen, dass es in Zukunft keine Probleme geben wird. Aber ich denke, dass es eine positive Basis gibt, es gibt Investitionen, die Menschen erwarten viel von der Gegend. Wenn das so bleibt, gibt es auch den Druck, Probleme zu lösen, bevor sie überhaupt erst entstehen. Persönlich denke ich, dass manche dieser Zwischenfälle mehr mit der Situation in der Türkei zu tun haben als tatsächlich mit jener auf Zypern.
derStandard.at: Gerade anhand der Öffnung der Ledra Street zeigt sich, welche Bedeutung vertrauensbildende Maßnahmen haben. Sind bereits weitere in Planung?
Mavrou: Unilaterale Schritte auf beiden Seiten würden dabei helfen, das gute Klima aufrechtzuerhalten, während die Gespräche weitergehen. Aber auch wenn vertrauensbildende Maßnahmen wichtig sind, so würde ich es nur ungern sehen, wenn die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Thema abgelenkt würde: Die Arbeitsgruppen nehmen nun ihre Arbeit auf und wir sollten uns voll und ganz darauf konzentrieren, eine dauerhafte Lösung zu finden. Denn auch wenn sich in den beiden Communities einiges verändert hat, so dauert die Teilung einfach schon viel zu lange.
derStandard.at: Woran liegt es, dass es trotzdem keine gröberen Zwischenfälle gegeben hat?
Mavrou: Das ist etwas, von dem wir profitieren sollten: Es gibt noch Generationen, die Erinnerungen an die Zeit haben, als beide Communities miteinander lebten. Bei der Öffnung des Übergangs trafen sich Menschen, die früher miteinander gearbeitet haben. Zum Beispiel habe ich zwei Männer gesehen, die früher gemeinsam Lotterietickets verkauft haben.
Ich möchte nicht so tun, als hätte es in der Vergangenheit keine Konflikte gegeben, aber genauso gibt es eine gemeinsame Vergangenheit, an die wir anknüpfen können. Wir müssen vom Negativen lernen und versuchen, uns auf das Positive zu konzentrieren.
Zur Person: Eleni Mavrou wurde in der gleichen Stadt geboren wie ihr Parteikollege Demetris Christofias, dem neu gewählten Präsidenten des griechischen Teils – und wie Mehmed Ali Talat, dem Präsidenten des türkischen Teils. Sie ist Mitglied der kommunistischen AKEL, der auch Christofiasm angehört. Diese Gruppierung war schon Jahre vor der Teilung jene Partei, die enge Beziehungen zu den türkischen Zyprioten pflegte. An diese guten Beziehungen zur Schwesternpartei CTP von Talat will die AKEL nun anscheinend anknüpfen, um eine Lösung des Zypern-Problems zu finden.
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