Andrea Holzmann-Jenkins, Co-Autorin der Machbarkeitsstudie der Stadt Wien, über die „University of Excellence“ und Ängste vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft
Ein Interview für derStandard.at/Uni


Andrea Holzmann-Jenkins ist eine der AutorInnen der Machbarkeitsstudie der University of Excellence. Im derStandard.at/Uni-Interview spricht sie über den Sinn einer von Experimentalphysiker Anton Zeilinger vorgeschlagenen University of Excellence.

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derStandard.at/Uni: Welchen Sinn macht es eigentlich, eine neue Universität bauen, anstatt da anzusetzen, wo es bereits Exzellenzen an den österreichischen Universitäten gibt?

Holzmann-Jenkins: Professor Zeilinger argumentiert, dass die Weiterentwicklung der bestehenden Einrichtungen zu Exzellenzeinrichtungen länger dauern würde. Dem kann ich mich nur anschließen, kleine Exzellenzeinheiten an großen Universitäten – die es durchaus gibt – haben nie diese Leuchtkraft wie eine neue Institution, die dann als Aushängeschild dienen kann.

derStandard.at/Uni: Die University of Excellence ist ja keine Universität im eigentlichen Sinn, denn man bietet ja keine Grundausbildung an. Warum eigentlich?

Holzmann-Jenkins: Man will eine forschungsbasierte Ausbildung anbieten, also Ausbildung durch Forschung. Alle, die dort ausgebildet werden, sollen in Forschungsprogramme eingebunden sein und das schließt schon einmal aus, dass man AnfängerInnen nimmt.

derStandard.at/Uni: Es gibt Befürchtungen, dass sich dadurch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Wissenschaftsbetrieb entwickeln könnte. Kann man das überhaupt verhindern, und wenn ja, wie?

Holzmann-Jenkins: Das ist ganz ein heikles Thema, denn eine Massenuni kann nicht die gleichen Qualitätsmaßstäbe anlegen wie eine Universität, die sich ihre Leute aussucht. Ich persönlich glaube aber, dass es bei der University of Excellence gar nicht so sehr darum geht, dass die heimischen Wissenschafter nicht gut genug sind, sondern darum ein Prestigeobjekt hinzustellen, als Commitment zu einer zukunftsgerichteten Wissenschaftspolitik von Seiten der Stadt oder des Landes, am besten beiden miteinander. In diesem Zusammenhang ist auch zu hoffen, dass das einen Auftrieb für die Wissenschaft insgesamt mit sich bringt, selbst wenn die Universitäten jetzt Befürchtungen haben.

derStandard.at/Uni: Ein großes Vorbild ist ja das Weizmann Institut in Israel. Das wurde in den 30er Jahren gegründet, ein weiteres Vorbild ist die ETH Zürich, die wurde Ende des 19. Jahrhunderts gegründet. Wie soll die University of Excellence diesen Rückstand aufholen, was wäre also an ihr attraktiv?

Holzmann-Jenkins: Attraktiv sind immer die Leute: Wenn sie dort zwei, drei gute Leute haben, ziehen die weitere gute Leute an, das ist im Wissenschaftsbetrieb einfach so. Natürlich wird es eine Weile dauern, bis sich der Ruf etabliert, aber auch Weizmann und die ETH Zürich haben einmal angefangen, genauso kann Wien einmal anfangen.

Und Professor Zeilinger ist ein Magnet. Ich habe im Laufe der Studie mit dem Leiter des Perimeter-Instituts in Kanada – das übrigens auch erst seit fünf Jahren besteht und schon einen Ruf hat, weil sie gute Leute haben – ein Interview geführt und gefragt, was die Erfolgsfaktoren waren: Sie haben einen Internationalen Board von renommierten WissenschaftlerInnen und die wiederum ziehen weitere Leute an: Qualität zieht also Qualität an. Er hat gemeint: „Ihr braucht Euch eigentlich keine Sorgen machen, denn Ihr habt ja eh den Zeilinger.“ Wenn in dem Auswahlgremium, das für die Rekrutierung der Wissenschaftler zuständig ist, zwei, drei NobelpreisträgerInnen drinnen sitzen, dann entsteht der Ruf von selber, denn sie bürgen dann für Qualität.

derStandard.at/Uni: Man könnte jetzt die provokante Frage stellen: Wenn das Ziel ist Leute anzuziehen, wer soll denn das sein: Nur Leute aus dem Ausland?

Holzmann-Jenkins: Man könnte gute Leute zurückholen, die in die USA ausgewandert sind, ebenso Leute aus den Nachbarstaaten wie zum Beispiel Ungarn, die lieber in Wien arbeiten als in den USA. Man könnte damit Leute halten, die sonst weggehen würden, und man kann natürlich exzellente Köpfe aus aller Welt hereinkriegen.

derStandard.at/Uni: Warum eigentlich Naturwissenschaften?

Holzmann-Jenkins: Nachdem die Initiative von Professor Zeilinger kam, ist es naheliegend, dass er seine eigenen Disziplinen vertritt. Professor Schuster ist Chemiker und unser Bürgermeister Biologe. Zudem gibt es in Österreich in diesen Studienrichtungen einen Aufholbedarf: Österreich ist in den Naturwissenschaften zwar in gewissen Bereichen gut, wie etwa der Physik, Mathematik oder der Biotechnologie. Allerdings gibt es zu wenige Studierende in technischen und naturwissenschaftlichen Studienrichtungen. Zeilinger meint, dass so eine Einrichtung die Wissenschaft attraktiv machen würde für junge Leute.

Europaweit wurde zudem festgestellt, dass junge Leute nicht in die Wissenschaft gehen wollen, weil sie das langweilig finden und weil sie keine Karrierechancen sehen. Wenn man ihnen mit so einer Einrichtung demonstrieren kann, dass Forschung alles andere als langweilig ist und man ihnen Karrierechancen bieten kann, könnte das zu einem Zuwachs des wissenschaftlichen Nachwuchses führen – und das brauchen wir, auch für die Wirtschaft.

derStandard.at/Uni: Allerdings braucht man dafür auch Gebiete, in denen es Unternehmen gibt, die daran anknüpfen können. Gibt es denn da überhaupt ein Potential in Österreich?

Holzmann-Jenkins: Mit der University of Excellence wird die Hoffnung verbunden, dass Leute mit dem Wissen, das sie sich an dieser Institution erarbeiten, in die Wirtschaft gehen und Firmen gründen. Wie ausländische Beispiele zeigen, sind diese Hoffnungen berechtigt.

Man muss die wirtschaftliche Verwertung der Ergebnisse dann natürlich auch systematisch betreiben. Im Weizmann Institut zum Beispiel gibt es eine Agentur, deren Mitarbeiter wie die Scouts im Institut herum gehen und schauen, wo es Ergebnisse gibt, die sie die verwerten könnten – ohne allerdings die Forschung im Vorhinein zu beeinflussen.

derStandard.at/Uni: Thema Zugangsbeschränkungen: Wie stellt man sich die Auswahl der Studierenden vor?

Holzmann-Jenkins: Es soll ein mehrstufiges Auswahlverfahren geben. Zunächst gibt es schriftliche Bewerbungen, dann sollen die BewerberInnen von einem Gremium ausgesucht werden und anschließend sollen mindestens zwei ProfessorInnen mit den BewerberInnen sprechen. Die Initiatoren haben sich da viel überlegt, um zu verhindern, dass Leute, die nicht so eloquent sind, nicht von vornherein ausgeschlossen werden, nur weil sie sich halt nicht so gut präsentieren können.

Die Studierenden will man weltweit rekrutieren und möchte das machen wie die amerikanische Universitäten, also eine aktive Rekrutierungspolitik betreiben und die Leute einladen. (Sonja Fercher, derStandard.at, 25.3.2006)