Christoph Hofinger, Geschäfts­führer und wissen­schaftlicher Leiter des „Institute for Social Research and Analysis“ über die mageren Ergebnisse der Grünen bei den Landtagswahlen. (Ein Interview für derStandard.at)


derStandard.at: Bei den Wahlen im Burgenland stagnierten die Grünen, auch in der Steiermark kamen sie nur auf ein mageres Ergebnis. Hat das nur landespolitische Hintergründe oder lässt sich daraus auch ein bundespolitischer Trend ablesen?

Hofinger: Ich würde sagen, dass das im wesentlichen landespolitische Gründe hatte: In beiden Bundesländern tun sich die Grünen leichter in den Gemeinden, wo sie in den Gemeinderäten sitzen – dort legen sie auch noch zu, aber das ist eben in zu wenigen Gemeinden der Fall. Die bundespolitischen Einflüsse hingegen sind insgesamt eher gering, wobei es der SPÖ besser gelingt als früher, sich bundespolitisch zu profilieren.

derStandard.at: Die burgenländischen Grünen wollen nun „mehr in die Orte gehen“, weil sie dort, wo ihre Aushängeschilder wohnen, gute Ergebnisse erzielten. Haben die Grünen ein Personal- Problem?

Hofinger: Die Grünen haben nicht grundsätzlich ein Personalproblem, aber sie haben Strukturen, die noch nicht groß genug sind für die nächsten Schritte des Wachstums. Die Strukturen reichen für eine Partei, die zwischen fünf und zehn Prozent hat, aber wenn sie dann in Richtung 20 Prozent gehen wollen, ist wichtig, in möglichst vielen Gemeinderäten vertreten zu sein.

Die Grünen brauchen aber auch starke Vorfeldorganisationen – sei es jetzt bei Arbeitnehmern, in der Grünen Wirtschaft oder bei den Senioren -, die in einem Wahlkampf integriert sind und wo es ihnen dann möglich ist, während eines Wahlkampfes gerade im Burgenland auch direkt Kontakte zu haben. Da sind die Grünen dabei, Aufbauarbeit zu machen, aber da sind sie noch nicht da, wo sie sein sollten. Da haben die anderen Parteien doch noch deutliche Vorteile.

derStandard.at: Inzwischen gibt es Politiker anderer Parteien, die sich bisheriger Grüner Themen annehmen wie zum Beispiel in Wien Ulli Sima von der SPÖ oder auch Umweltschutzminister Pröll, der versucht, hier Akzente zu setzen. Was bleibt denn da noch übrig für die Grünen?

Hofinger: Was Umweltthemen betrifft haben die Grünen mehr Glaubwürdigkeit und müssen sich nicht unbedingt davor fürchten, dass andere Parteien das Thema aufnehmen. Wenn das Thema dadurch wichtiger wird, ist das für eine Partei, die dort die größte Kompetenz hat, nicht unbedingt schlecht, weil die Leut generell eher zum Schmied gehen als zum Schmiedl, wenn ihnen ein Thema wichtig ist

Der Punkt ist aber, dass die Grünen über Umweltthemen allein sicher kein Abonnement auf Wahlerfolge in den nächsten Jahren und Jahrzehnten haben. Nur wenn die Grünen in den Auseinandersetzungen um die großen gesellschaftspolitischen Fragen – wie Arbeit, Budget, Bildung – auch ein Wort mitreden, haben sie mittel- und langfristige Wachstumsmöglichkeiten.

Die Grünen müssten eben dort auch Spannungsfelder aufbauen, damit die Leute – vereinfacht gesprochen – nicht nur überlegen „Will ich das rote oder das schwarze Modell?“, sondern auch „Will ich nicht lieber das Grüne Modell?“

derStandard.at: Besteht nicht auch die Gefahr, dass die Grünen zwischen den beiden großen Parteien aufgerieben werden?

Hofinger: Jein, die Grünen haben historisch natürlich immer wieder Stimmen von der SPÖ bekommen und bei der letzten Nationalratswahl war die Bilanz halbwegs ausgeglichen, 1995 war es negativ, bei den meisten anderen Wahlen positiv für die Grünen. Aber es ist auch die strategische Ausgangsposition für die Nationalratswahlen relativ gut, weil sie als potentielle Koalitionspartner von Schwarz oder Rot doch möglicherweise mit der Botschaft durchkommen „Wir können die Politik nach der Wahl prägen.“ Allerdings wäre es schlecht, wenn sich die inhaltliche Polarisierung darüber, wohin die Gesellschaft und der Sozialstaat gehen soll, nur zwischen Rot und Schwarz abspielt. Da müssen die Grünen Duftmarken setzen.

derStandard.at: Zu den Wien-Wahlen: Es gibt versöhnliche Töne von Maria Vassilakou in Richtung ÖVP. Ist das ein Signal in Richtung „Bürgerliche Grüne“, bzw. wo liegt das Potenzial der Grünen: bei den bürgerlichen Grüne oder eher bei rot-grünen, urbanen Bevölkerungsgruppen?

Hofinger: Das Wiener Bürgertum ist links. Es wird oft Bürgerlich mit „Rechts“ assoziiert, aber das junge Wiener Bürgertum ist links. Das ist natürlich historisch für die Grünen sehr angenehm. Früher war auch das junge Bürgertum eher rechts, Wien ist größtenteils links orientiert. Das heißt innerhalb der Bildungsschicht müssen sich die Grünen wenig Sorgen machen, weil sie bei den Wählern unter 50 sehr gut positioniert sind und hier eine offene Konkurrenz mit der SPÖ haben und hier tendentiell stärker sind als die ÖVP.

Für die Grünen in Wien ist aber nicht das Bürgertum die strategische Frage, sondern es ist die Frage: Wie kommen sie in die Arbeitnehmerhaushalte, wo der höchste Bildungsabschluss weniger als Matura ist. In Graz zum Beispiel haben wir eine Wahltagsumfrage gemacht und die ergab, dass die KPÖ in allen Bildungsschichten um die zehn Prozent hatte, während die Grünen große Erfolge bei jenen mit Matura hatten.

Da ist diese ganze Positionierungsdebatte „Sollen wir bürgerlich sein?“ eine Scheindebatte. Die Grünen können ruhig Mitte-Links sein, denn die großen Interessenten sind jüngere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Da gibt es noch riesige Milieus – vor allem außerhalb der Bildungsschichten – wo die Grünen auch in Wien noch nicht wirklich hineinkommen. Diese Herausforderung gibt es aber in den Städten genauso wie im Burgenland, nur fällt es in den Städten halt nicht so auf, weil dort die Bildungsschicht größer ist und damit auch die Bedingungen soziodemografisch schon günstiger sind.

derStandard.at: Gibt es hier nicht ein inhaltliches Spannungsfeld zwischen diesen Schichten und wie könnten die Grünen dieses auflösen?

Hofinger: Für die Grünen ist folgende Positionierung spannend: Je mehr sich die Grünen gegenüber der SPÖ positionieren können und den Eindruck vermitteln können, die SPÖ will zurück in die 70er Jahre und wir sind die Mitte-Links-Partei der Zukunft.

Mit Themen wie die eingetragene Partnerschaft allein können diese Schichten nicht gewonnen werden. Das ist ein Kernschichten- und Zielgruppenthema für die Grünen, das durchaus spannend ist und den Grünen auch was bringt. Aber wenn sie in die Arbeitnehmerhaushalte reinwollen, dann müssen sie eben darauf schauen, wie man bei den zentralen Fragen der Versorgung und bei den zentralen wirtschaftlichen Fragen als die modernere, progressivere Kraft rüberkommt.

Die Abgrenzung gegenüber der ÖVP ist das soziale und progressive, gegenüber der SPÖ könnte sein „Wir sind aber die moderneren und innovativeren, die eigentlich mehr Zukunft haben“. So lange die SPÖ wie etwa im Burgenland in diesen Themen stark ist, ist das aber relativ schwer.

derStandard.at: Was erwarten Sie sich für die Wien-Wahlen: Könnte den Grünen das gleiche Schicksal wie schon so oft blühen, Umfragenmeister zu sein, aber bei den Wahlen dann doch nicht genug Wähler auf ihre Seite zu ziehen? Glauben Sie, dass es den Grünen gelingen könnte, in Wien die ÖVP zu überholen.

Hofinger: Ich halte es für möglich, die Grünen müssen allerdings zuerst einmal vier Prozentpunkte auf die ÖVP aufholen und dann noch die Gewinne, die der ÖVP prognostiziert werden, egalisieren. Aufgrund der publizierten Umfragen scheint das Rennen trotzdem relativ offen. Aber die Grünen in den Städten sind sowohl für ÖVP als auch für SPÖ natürlich brandgefährlich, das ist überhaupt keine Frage.