Francois Hollande hat es gemacht. Ex-Premier Francois Fillon hat es gemacht. Die Grüne Ministerin Cécile Duflot hat es gemacht. Ségolène Royal, die frühere sozialistische Präsidentschaftskandidatin und Ex-Lebensgefährtin von Hollande, hat es gemacht. Die Chefin des Front National, Marine Le Pen, hat es  gemacht. Vom über die Grenzen hinaus bekannten Ex-Kulturminister Jack Lang heißt es gar, er sei darin Experte. Und nun hat es auch Jean-Luc Mélenchon, der Kandidat der Linksfront, gemacht: Sie sind mit dem Fallschirm abgesprungen, zumindest im übertragenen Sinn. Denn „Parachuter“ heißt es, wenn ein Kandidat oder eine Kandidatin in einem Wahlkreis landet und dort kandidiert, in dem er oder sie weder wohnt noch zuvor politisch aktiv war.

Es ist ein sehr typisches Phänomen bei den französischen Parlamentswahlen – und es ist Ausdruck davon, wie personalisiert diese durch das Mehrheitswahlrecht sind. Es sind sehr oft bekannte Persönlichkeiten, die in einem Wahlkreis abspringen, der für die Partei oder für ihre Karriere von Bedeutung ist. So sprang Hollande im Jahr 1981 in jenen Wahlkreis im Département Corrèze ab, in dem der damalige Präsidentschaftskandidat Jacques Chirac Kandidat war. Hollande unterlag, doch in den darauffolgenden Jahren sollte die Corrèze seine politische Heimat werden: Er wurde 1988 in einem anderen Wahlkreis zum Abgeordneten gewählt, 2001 wurde er Bürgermeister der Stadt Tulle, der Hauptstadt des Départements.

Oftmals ist es auch ein Wahlkreis, in dem die Partei traditionell stark ist, in dem also eine wichtige Person untergebracht werden kann. So macht etwa der frühere Innenminister Claude Guéant Wahlkampf in Boulogne-Billancourt: Es besteht kein Zweifel, dass der Wahlkreis an die ehemalige Präsidentenpartei geht, ein fixes Ticket also für den Sarkozy-Vertrauten. Ex-Premier Fillon wiederum werden Ambitionen auf das Amt des Pariser Bürgermeisters nachgesagt. Die frühere Ministerin Rachida Dati musste ihm in einem Pariser Wahlkreis den Vortritt lassen.

Medial am meisten beachtet ist wohl ein Bezirk im Norden Frankreichs, mitten unter den Cht´is, die seit dem Film „Willkommen bei den Scht´is“ auch außerhalb Frankreichs Bekanntheit erlangt haben: In Hénin-Beaumont tritt der Kandidat der Linksfront Mélenchon gegen die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen an. Le Pen selbst ist dort dort erst seit 2007 beheimatet – nicht umsonst, denn Hénin-Beaumont ist eine ArbeiterInnenhochburg in der Krise: Immer mehr Firmen schließen und wandern ab. Als sie sich dort niederließ, erklärte sie dies denn auch damit, dass dieser Ort „ein Symbol für die dringendsten Probleme Frankreichs“ sei: „Arbeitslosigkeit, Abwanderung wirtschaftlicher Betriebe, Kriminalität“.

Nicht umsonst ist nun auch Mélenchon dort abgesprungen. Er will traditionell linke WählerInnen aus der ArbeiterInnenschicht von Le Pen abziehen – ganz zu schweigen vom politischen Coup, den es bedeuten würde, wenn es ihm gelingt zu verhindern, dass Le Pen in die Nationalversammlung einzieht.

Doch auch über die mediale Schlacht, die sich die beiden Populisten im Norden liefern, ist es das Abschneiden der beiden Parteien, das beim ersten Wahlgang diesen Sonntag wohl am interessantestens ist. Denn diese werden das Zünglein an der Waage sein: Wenn keinE KandidatIn im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erringt, gibt es eine Stichwahl. Diese können zu Dreierkonstellationen führen, den so genannten „triangulaires“, wo drei KandidatInnen gegeneinander antreten.

Vor allem das Abschneiden des Front National wird deshalb mit Argusaugen beobachtet. In jenen Wahlkreisen, in denen es der FN in einen solchen trinangulaire schafft, verzichtet üblicherweise jene Partei, die schlechtere Chancen hat, zugunsten des Kandidaten oder der Kandidatin der anderen Partei (man spricht in dem Fall von „republikanischen KandidatInnen“). Im Moment rumort es in der konservativen UMP. Denn die Umfragen sagen ein knappes Rennen zwischen PS und UMP voraus. Somit gibt es immer wieder Stimmen, dass die UMP Bündnisse mit dem FN eingehen sollte, um doch die angestrebte Regierungsmehrheit zu erringen.

Diese Wahl ist außergewöhnlich, denn normalerweise würde man in Frankreich mit einer „vague rose“ rechnen, also einer „Rosa Welle“, sprich einer klaren Mehrheit für das Lager des frisch gewählten Präsidenten. Doch so eindeutig kündigt sich diese Wahl nicht an, ganz im Gegenteil. Dabei gibt die Regierung im Moment den Takt vor, um nur einige Maßnahmen zu nennen: Geschlechtergleichstellung, Vielfalt in der Regierung, Kürzung der MinisterInnen-Gehälter, neuer wirtschaftspolitischer Kurs für Europa, Anhebung des Minstestlohns, Rückführung des Mindestpensionsalters auf 60 für Hackler-PensionistInnen. Doch die FranzösInnen scheinen davon nicht allzu sehr beeindruckt zu sein.

Dennoch dürfte es für eine linke Regierung reichen: Umfragen sagen den linken Parteien nach der Stichwahl am 17. Juni eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung voraus. Aber Umfragen sind eben Umfragen, genaueres wissen wir am Sonntag.

(Dieser Artikel erschien auch auf www.paroli-magazin.at)