Mittwochabend im 11. Pariser Arrondissement. Die Grünen haben in den Cirque d´Hiver zur Abschlussveranstaltung ihrer Kandidatin geladen: Die frühere Untersuchungsrichterin Eva Joly, die in Norwegen geboren ist und sich wegen ihres sehr nüchternen Wahlkampfstils viel Kritik gefallen lassen musste. Langsam tröpfeln die AnhängerInnen herein, vor der Tür gibt es Stände, bei denen man Sandwiches mit den hier beliebten Würsten „Merguez“ oder mit Kebab erstehen kann. FeministInnen verteilen Flugblätter, am Eingang werden den ZuseherInnen Fahnen in die Hand gedrückt. AnhängerInnen tragen T-Shirts mit der roten Brille von Joly, die fast schon zum Symbol der Kampagne geworden ist und in der letzten Wahlkampfphase durch eine grüne Brille ersetzt wurde.
So weit, so professionell. Drinnen jedoch wirkt alles fast ein wenig improvisiert, im Hintegrund läuft leise Musik – Björk: Nicht unbedingt geeignet, für gute Stimmung zu sorgen. Der Zeitpunkt, an dem die Reden angekündigt sind, ist schon vorbei, im Publikum wird fordernd geklatscht. Als Eva Joly, begleitet von Größen der Partei, einzieht, hebt sich die Stimmung. Eingeleitet wird ihr Auftritt von einer kämpferischen Rede des Dany Cohn-Bendit, der die Stimmung anheizt und den etwas holprigen Anfang schnell vergessen lässt.
Auch hier heißt es „On est chez nous“, doch ist das „nous“ im Grünen Verständnis deutlich vielfältiger: In ihrer Rede zählt Joly verschiedene Regionen von Frankreich auf, kommt auf die verschiedenen Communities ironisch mit geläufigen Schimpfworten zu sprechen zu beendet ihre Aufzählung mit den „NorwegerInnen in den Wechseljahren“. Das Publikum ist begeistert.
Es ist fast schon ein humorvoller Wahlkampfauftritt, ironisch zählt sie ihre eigenen Defizite auf. Sie habe nun einmal eine dünne Stimme, einen starken Akzent, könne nun einmal nicht lügen und die Massen nicht mitreißen, erklärt sie – unter Protest ihrer AnhängerInnen: „Wir lieben Dich!“, ruft ihr einer von ihnen zu. Der einzige Fehler, den sie bereue, sei ihr Treppensturz vor wenigen Wochen gewesen, meint sie augenzwinkernd.
Sie weigere sich, sich dem „Diktat der Emotionen“ zu beugen, deshalb habe sie ein alternatives Budget vorgestellt und versucht, Inhalte in den Wahlkampf einzubringen. Und sie weigere sich zu akzeptieren, dass Politik eine Sphäre sei, die jenen vorbehalten sei, die aus bestimmten Zirkeln kommen, in bestimmte Schulen gegangen sind und nur in bestimmten Kreisen verkehren. „Politik darf nicht von einer in sich abgeschlossenen Kaste gemacht werden.“
Die Kampagne sei rüde gewesen, nicht nur bezogen auf ihre Person, meint sie: Die Ökologie sei zum Problem erklärt worden, zu einer Träumerei, die ohnehin nicht finanzierbar sei. ”Die Ökologie aber ist die Lösung!“, ist sie überzeugt. Ökologie, Ausstieg aus der Atomenergie, vereinigte Staaten von Europa, respektvolles Zusammenleben, Gerechtigkeit, funktionierendes Gesundheitswesen: So lauten grob zusammengefasst einige ihre Themen.
Für bewundernde Zustimmung sorgte Joly, als sie Amtsinhaber einmal mehr frontal angriff: Am Ende wird sich herausstellen, dass die Ära Sarkozy nichts anderes gewesen sei als ein „großer Schwindel, ein reaktionärer Betrug, ein Machtmissbrauch.“ Es ist eine schwierige Abschlusskundgebung, immerhin ist nicht davon auszugehen, dass es Joly mit den laut Umfragen prognostizierten zwei Prozent in die Stichwahl schafft. Der Blick der Grünen richtet sich insofern auch schon so langsam auf die Parlamentswahl, die im Juni stattfindet und die wohl besser für sie ablaufen wird – und für die auch das Abschneiden von Eva Joly von Bedeutung ist.
Weil man außerdem den Umfragen nicht ganz trauen will und auf ein besseres Ergebnis hofft, lautet denn auch der Aufruf: Wählt Joly, damit die Grünen bei einer etwaigen Beteiligung an einer linken Regierung Druck auf die Sozialistische Partei ausüben und ihre Inhalte besser unterbringen können. Vergnügt verlassen die AnhängerInnen den Cirque d´Hiver, auf dem Weg werden ihnen noch Flugblätter in die Hand gedrückt, auf dass sie noch zu Hause, an ihrem Arbeitsplatz, bei ihren FreundInnen Wahlwerbung machen. (Dieser Artikel erschien auch auf www.paroli-magazin.at)
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