Im Allgemeinen wollen beide Seiten Frieden, davon ist der israelische Politikwissenschafter Amal Jamal überzeugt. Das Problem aber seien die Details.
Im Interview relativiert er daher allzu große Erwartungen an die Gespräche zwischen Israels Premier Ehud Olmert und Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas. Außerdem erklärt er, warum die Palästinenser zwar nicht verstehen, warum Israel und der Westen nicht mit der Hamas reden wollen, zugleich aber nicht damit einverstanden sind, dass sich die Hamas ebenso weigerte, mit Israel zu sprechen. Ein Interview für derStandard.at.
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derStandard.at: Wie wird eigentlich die faktische Zweiteilung der Palästinenser und die Unterstützung der Fatah durch den Westen von den Palästinensern erlebt?
Amal Jamal: Bis heute verstehen die Leute in Gaza und im Westjordanland nicht ganz, warum die Israelis und die westlichen Länder nicht mit der Hamas reden wollen. Die Hamas ist Teil der palästinensischen Gesellschaft, oft gibt es in einer Familie sowohl Hamas- als auch Fatah- Mitglieder.
Außerdem muss man die Frage stellen, warum die Palästinenser die Hamas gewählt haben, nämlich weil die Fatah-Führung unfähig und korrupt war und sie haben ihre Meinung dazu nicht verändert.
derStandard.at: Spiegelt diese Teilung in „Hamastan“ und „Fatahstan“ eigentlich eine politische Realität wieder?
Jamal: Natürlich nicht. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob die Bevölkerung noch einmal die Hamas wählen würde, wenn es jetzt Wahlen gäbe. Sie wäre natürlich nicht ganz weg vom Fenster, aber viele Leute haben verstanden, dass es nicht geht, wenn man einerseits die Macht anstrebt, aber andererseits nicht mit den Israelis verhandeln will. Schließlich muss man mit den Israelis und den Amerikanern sprechen, wenn man eine Lösung finden will.
derStandard.at: Die Palästinenser sind also nach wie vor für Verhandlungen?
Jamal: Die meisten glauben nicht mehr an Verhandlungen und trauen Israel nicht. Die Mehrheit glaubt, dass die Israelis nicht wirklich verhandeln, sondern nur ihre eigene Lösung durchsetzen wollen.
derStandard.at: Was müsste Israel Ihrer Ansicht nach tun, um das Vertrauen wieder herzustellen?
Jamal: Erstens muss sich die Siedlungspolitik sofort ändern. Zweitens müssen die gezielten Tötungen beendet werden. Israel hat diese Maßnahme immer mit den Anschlägen begründet. Allerdings gab es seit fast einem Jahr keine Anschläge mehr, warum gibt es dann immer noch gezielte Tötungen?
derStandard.at: Israel argumentiert, dass es für die Sicherheit seiner Bürger sorgen und sich es deshalb vorbehalten müsse, in den besetzten Gebieten zu intervenieren.
Jamal: Ja, ok. Aber was haben die Siedlungen mit Sicherheit zu tun? Was haben die gezielten Tötungen mit Sicherheit zu tun?
derStandard.at: Israel begründet seine Weigerung mit der Hamas zu reden damit, dass sie nach wie vor das Existenzrecht Israels nicht anerkennt. Wie soll man auch mit Menschen verhandeln, die das Existensrecht des eigenen Staat nicht anerkennen.
Jamal: Natürlich. Aber die selbe Frage muss an Israel gestellt werden.
derStandard.at: Trotzdem behält die Hamas das Ziel bei, Israel sozusagen von der Landkarte zu löschen…
Jamal: Ach, sie wissen genau, dass sie das erstens nicht können. Zweitens will die Hamas die Israelis damit dazu zu bringen, Kompromisse zu machen. Auch die Israelis wissen ganz genau, dass die Hamas eine pragmatische Bewegung ist und bereit ist zu verhandeln.
derStandard.at: Wie würden Sie die Haltung der Israelis zu Verhandlungen beschreiben?
Jamal: Insgesamt verstehen die Leute schon, dass es eine Zweistaaten- Lösung geben muss. Über das Wo und Wie diskutieren sie allerdings nicht viel. Wenn man die Details anspricht, wird es problematischer. Zum Beispiel Jerusalem: Die meisten Leute sind nicht bereit, die Altstadt zurückzugeben oder zu akzeptieren, dass Ostjerusalem die Hauptstadt eines palästinensischen Staates werden könnte.
Wenn man sehr allgemein fragt, ob sie Frieden wollen, antworten die meisten „Ja, natürlich.“ Aber wenn die Frage lautet, ob sie bereit sind, Ostjerusalem zurückzugeben, um Frieden zu schaffen, dann lautet die Antwort oft: „Hm, ich weiß nicht, ob ich ihnen vertrauen soll.“
Die meisten Israelis vertrauen den Palästinensern nicht und das ist angesichts der Anschläge auch nachvollziehbar.
derStandard.at: Vertreten die in Israel lebenden Araber eigentlich eine andere Position als die Mehrheit der Israelis?
Jamal: Da gibt es Unterschiede, die aber mit der Identität nicht viel zu tun haben, sondern mit der politischen Überzeugung. Es gibt verschiedene politische Strömungen in der arabisch-israelischen Bevölkerung, die drei Haupt- Strömungen sind die Islamisten, die Nationalisten und die Kommunisten. Wenn es um zivile Rechte geht, vertreten sie alle ähnliche Meinungen.
Wenn es um nationale und politische Fragen geht, dann werden Unterschiede deutlich. Die Islamisten haben bislang noch kein eindeutiges Bekenntnis zu einer Zwei-Staaten-Lösung abgegeben. Sie haben Probleme klar zu sagen, dass die Palästinenser kein Recht auf das ganze Land haben.
Die Nationalisten glauben an eine Zwei-Staaten-Lösung, aber sie glauben Israel nicht, weil sie sehen, dass Israel nicht bereit ist, die besetzten Gebiete und vor allem die Westbank zurückzugeben. Die meisten Nationalisten sagen, dass sie für zwei Staaten stimmen würden, aber dass es nicht passieren wird, weil Israel das nicht will. Die Kommunisten schließlich haben schon 1947 die Zwei-Staaten- Lösung akzeptiert und sagen bis heute, dass das die einzige Lösung ist.
derStandard.at: Was halten Sie von den derzeitigen Verhandlungen zwischen Israels Premier Ehud Olmert und Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas?
Jamal: Ja, worüber sprechen die eigentlich? Es wird so getan, als wären die meisten Probleme gelöst. Aber die Probleme sind immer noch da: Was macht man mit den Flüchtlingen? Was macht man mit Jerusalem?
Detto die Souveränität des palästinensischen Staates: Was für einen Staat wird es da geben? Ohne Militär? Wer überwacht die Grenze, die Israelis oder die Palästinenser? Ich halte das optimistische Bild, das von diesen Gesprächen gezeichnet wird, für sehr problematisch.
derStandard.at: Es heißt, dass Olmert durch den Libanon-Krieg im vergangenen Jahr ohnehin zu geschwächt ist, um ernsthafte Friedensangebote machen zu können. Teilen Sie diese Meinung?
Jamal: Ja. Die meisten Leute, mit denen ich in letzter Zeit gesprochen habe, sagen, dass die Olmert-Regierung nicht die nötige Legitimität hat, um etwas durchzusetzen. Olmert braucht diese Verhandlungen für sein eigenes politisches Überleben, wenn er sie nicht mehr braucht, wird er sie auch nicht mehr fortsetzen.
Dazu kommt, dass er im Grunde nicht die Möglichkeit hat, eine Vereinbarung mit den Palästinensern durchzusetzen. Er hat zwar die Mehrheit in der Knesset, aber nicht in der Bevölkerung.
Zudem gibt es immer noch Probleme mit den Siedlern, die aus Gaza abgezogen sind, denn die Hälfte hat noch immer keine Arbeit und keine Wohnung. Und das waren nur 9.000, wie will diese Regierung das Problem von tausenden Siedlern in der Westbank bewältigen?
derStandard.at: Was erwarten Sie von dem von US-Präsident George W. Bush im Herbst geplanten Gipfel?
Jamal: Ich bin da nicht so optimistisch wie die meisten Leute. Denn warum hat Bush so lange gewartet? Vergleicht man zudem die Deklarationen mit der Realität, so sind die Unterschiede enorm: Jeden Tag gibt es gezielte Tötungen, werden Menschen verhaftet, marschiert die israelische Armee in die Palästinensergebiete ein.
Wie kann man da glauben, dass dieser Gipfel etwas ändern kann? Ich glaube, zwei oder drei Monate später werden die Leute vergessen haben, dass es überhaupt einen Gipfel gegeben hat. (Sonja Fercher, derStandard.at, 11.9.2007)
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