Simone de Beauvoir wäre heute 100 Jahre alt geworden. Um dieser großartigen Theoretikerin des Feminismus (auch wenn sie diese Bezeichnung selbst lange ablehnte) zu gedenken, möchte ich sie selbst sprechen lassen. Zunächst mit einem Rat, den sie Frauen gegeben hat und den ich nach wie vor für aktuell halte:

„Was vor allem zählt, wenn man wirklich unabhängig sein will, das ist die Arbeit. (…) Das ist die notwendige Voraussetzung, die ihnen erlaubt, sich scheiden zu lassen, wenn sie wollen. So können sie sich selbst und ihre Kinder ernähren, sie sind nicht abhängig und können ihr Leben realisieren.

Das heißt, die Arbeit ist kein Wundermittel. Ich weiß sehr gut, dass vier Mark Stundenlohn einer Arbeiterin oder Putzfrau nicht gerade wirklich unabhängig machen. Ich weiß, dass Arbeit nicht nur befreiend, sondern auch entfremdend ist. Folglich müssen Frauen oft zwischen zwei Entfremdungen wählen: die der Hausfrau und die der Berufstätigen. Trotzdem ist die Lohnarbeit die erste Voraussetzung der Unabhängigkeit.“

Für mindestens genauso aktuell finde ich folgenden Gedanken – und zwar auch wenn inzwischen immer mehr Männer verstanden haben, was ihnen entgeht, wenn sie die Kindererziehung an die Frauen abschieben:

„Mutterschaft ist heute eine wahre Sklaverei. Väter und Gesellschaft lassen die Frauen mit der Verantwortung für die Kinder ziemlich allein. Die Frauen sind es, die aussetzen, wenn ein Kleinkind da ist. Frauen nehmen Urlaub, wenn das Kind die Masern hat. Frauen müssen hetzen, weil es nicht genug Krippen gibt…“

Es sind dies Aussagen, die sie im Jahr 1976 getroffen hat – und immer wird in Österreich und Deutschland um ausreichend Kinderbetreuungsplätze gerungen, immer noch ist dies ein zähes Ringen, weil Konservative gerne das Märchen verbreiten, dass Frauen unbedingt zu Hause bleiben sollen, weil die Kinder sonst ja ach so große psychische Schäden davon tragen würden.

Schließlich aber taucht ein auch weiteres Argument immer wieder auf, das Frauen von überzeugen will, auf die Teilhabe an der Berufswelt zu verzichten:

„Wenn man uns sagt: „Immer schön Frau bleiben. Überlasst uns nur all diese lästigen Sachen: Macht, Ehre, Karrieren… Seid zufrieden, dass ihr so seid: erdverbunden, befasst mit menschlichen Aufgaben…“ Wenn man uns das sagt, sollten wir auf der Hut sei! (…)

Frauen, die das glauben, fallen ins Irrationale, ins Mystische, ins Kosmische zurück. Sie spielen das Spiel der Männer – denn so wird man sie besser unterdrücken, sie besser von Wissen und Macht fernhalten können. Das ewig Weibliche ist eine Lüge, denn die Natur spielt bei der Entwicklung des Menschen eine sehr geringe Rolle, wir sind soziale Wesen. Außerdem: Da ich nicht denke, dass die Frau von Natur aus dem Manne unterlegen ist, denke ich auch nicht, dass sie ihm von Natur aus überlegen ist.“

Eine tolle Frau, schade, dass sie nicht mehr unter uns weilt. Vor allem das von ihr formulierte Ziel, die Unabhängigkeit der Frauen zu erreichen, halte ich für so aktuell wie eh und je. Zum Glück bieten ihre Schriften nach wie vor genug Stoff zum Nachdenken und Diskutieren. Vivent les femmes! Ou: Vivent les Hommes – car on ne naît pas femme, on le devient!

Zitate aus: „Simone de Beauvoir. Rebellin und Wegbereiterin“ (Alice Schwarzer)