Silicon Valley: An diesen Ort schauen viele gebannt und voller Hoffnung, dass dort neue Konzepte für die Zukunft der Medien erfunden werden, die man dann importieren kann. Seit dem Reporter-Forum vergangene Woche scheint mir, dass man gar nicht so weit in die Ferne blicken muss. „Ich finde es ganz toll, gerade jetzt freie Journalistin zu sein“, sagte eine Kollegin beim morgentlichen Kaffee zu mir. Sie arbeitet wie so viele andere in einem Co-Working-Space in Hamburg. „Da arbeiten ganz verschiedene Kreative und es ist ein richtiger Gründegeist zu spüren“, schwärmte sie.
„UnternehmerIn sein scheint gerade in zu sein“, meinte ich bei einem Workshop schmunzelnd zu meiner Kollegin Susanne Wolf. Crowdfunding macht´s möglich. Neben den Krautreportern präsentierten auch die Macher von Substanz ihr Projekt und berichteten von ihren neuen Erfahrungen in Sachen Selbständigkeit. „Auf einmal findest du dich wieder, während du kalte Akquise machst und wildfremden Leuten erklärst: Sie kennen mich zwar nicht, aber darf ich Ihnen von unserem neuen Produkt erzählen?“, berichtete Georg Dahm. Ein wenig kleinlaut ergänzte er, früher über die Werbefuzzis geschimpft und auf sie herabgesehen zu haben. „Auf einmal musst du all das selbst tun.“
Bei all den neuen Experimenten haben die MacherInnen allesamt eins gemeinsam: Den tiefen Wunsch, wieder echten Journalismus machen zu können und sich aus den Sparzwängen mit den damit verbundenen Einschränkungen als JournalistIn zu befreien. Es sind in der Tat spannende Modelle, die hier allerorten aus dem Boden zu sprießen scheinen. Die einen machen ihren Start von der Anzahl der gesammelten Abos abhängig wie eben die Krautreporter. Andere wiederum machen sich auf Reisen und hoffen ihre LeserInnen mit der vorgeschossenen Arbeit davon zu überzeugen, Ihnen dafür auch Geld zukommen zu lassen. Prominentes Beispiel dafür ist Richard Gutjahr, aktuell ist Freischreiber-Gründer Kai Schächtele mit KollegInnen in Brasilien unterwegs.
Auch weil ich selbst davon überzeugt bin, dass man manche Projekte einfach durchziehen muss, für die traditionelle kaum mehr den Mut aufbringen, riss mich dieser GründerInnen-Geist mit.
Je länger ich diese Vorträgen vor der Kulisse des ehrwürdigen Spiegel-Gebäudes auf mich wirken ließ, desto mehr drängte sich mir ein Gedanke auf: Die großen Schlachtschiffe kämpfen gegen den Eisberg an, auf den sie schon längst aufgelaufen sind. Während dessen versuchen kleine Schinakel ihr Glück und haben vielleicht deshalb mehr Zukunftschancen, weil sie dem Eisberg einfacher umschiffen können. Konkret ausgedrückt: Die Erträge, die sie erwirtschaften müssen, sind überschaubarer. Sie müssen keine riesigen Verlage finanzieren, inklusive teuren Marketingabteilungen und entsprechend hohen Werbekosten. Sie können einfacher mit den LeserInnen interagieren.
Ich persönlich würde mir sehr wünschen, dass dieser Wandel es den/uns RedakteurInnen möglich macht, uns wieder auf unseren Job zu konzentrieren. Das reicht mir aber immer noch nicht: Ich wünsche mir, dass endlich Schluss damit ist, dass Menschen voller Enthusiasmus und kreativen Ideen dauernd einein Schuss vor den Bug bekommen. Ich wünsche mir mehr Mut der JournalistInnen, denn wnn wir dem Anspruch gerecht werden wollen, kritische Stimmen der Gesellschaft zu sein, können wir nicht darauf warten, bis uns jemand dafür Geld in die Hand drückt. Das bedeutet nicht, Leistungen herzuschenken, ganz im Gegenteil. Es bedeutet aber sehr wohl, dass man bereit ist, Risiken einzugehen.
Ja, ich schließe mich meiner deutschen Kollegin an: Ich bin froh, gerade jetzt freie Journalistin zu sein. Ich finde die Offenheit der Kleinen grandios, denn dadurch kann ich aus ihren Erfahrungen lernen und mich von ihrem Mut inspirieren lassen. Ja, mir gefällt dieser GründerInnen-Geist! Endlich werden Enthusiasmus und Abenteuergeist nicht mehr als weltfremd belächelt, sondern wieder als wichtige Qualitäten anerkannt. Und es gibt immer mehr Menschen, die sich nicht darum scheren, ob sie für verrückt gehalten werden, sondern ihr Ding durchziehen, weil sie davon überzeugt sind – mit allen Risiken, die damit einhergehen. Genau so wie ich es immer wieder getan habe und wie wir Freie es immer wieder tun. Damit bin ich auch schon bei einem weiteren wichtigen Ereignis, nämlich der Gründung der österreichischen FreischreiberInnen. Dazu aber ein anderes Mal.
PS: Heute erreichte mich die Nachricht, dass in Wuppertal junge JournalistInnen ein ambitioniertes Projekt gestartet haben, das ein Ziel verfolgt: Journalismus. Möge es ihnen gelingen und mögen noch viele ähnliche Projekte ihr Glück versuchen und damit Erfolg haben. Denn wir brauchen ihn, den guten Journalismus – und er ist möglich, daran glaube ich ganz fest.
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