Österreich müsse endlich offiziell bekennen, dass es ein Einwanderungsland ist:  „Wer das bestreitet, führt die Bevölkerung an der Nase herum!“ Es ist eine Kritik, die ExpertInnen, NGOs und Grüne schon fast gebetsmühlenartig formulieren, weil sie darin eines der wesentlichen Probleme der Migrations- und Integrationspolitik sehen. Dieses Mal aber kamen diese klaren Worte von einer anderen Seite, nämlich vom Chef der Wiener Industriellenvereinigung Georg Kapsch.

Wohltuend auch seine kritische Beobachtung der österreichischen Gesellschaft: Wesentlich für das Gelingen von Integrationspolitik sei Respekt im Umgang mit den Menschen – Respekt aber „fehlt in unserer Bevölkerung zum Teil.“ Integration sei ein zweiseitiger Prozess, aber: „Zunächst muss die Gesellschaft offen sein.“

Selbstkritik für Glaubwürdigkeit

Wohltuend ist dies deshalb, weil auch von Seiten der Industrie eine Erkenntnis formuliert wird, auf die von obengenannten KritikerInnen der Integrationspolitik auch schon fast gebetsmühlenartig hingewiesen wird: Dass zu einer glaubwürdigen Debatte auch ein guter Schuss Selbstkritik der Mehrheitsgesellschaft gehört.

Leider aber konzentriert sich die Integrationsdebatte in Österreich fast ausschließlich auf Defizite von MigrantInnen – oder „dümpelt in der Defizitlacke herum“, wie es Stadträtin Sandra Frauenberger gerne bezeichnet, die sich mit Kapsch und dem Wiener Caritas-Direktor Michael Landau das Podium teilte. Auch sie konzedierte, dass es in Wien ein Klima gibt, „das nicht unbedingt integrationsfreundlich ist“ und forderte vom Bund eine klare Haltung gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ein.

Ähnlich auch die Position von Caritasdirektor Landau, der einen „fairen Umgang mit Menschen anderer Herkunft“ einforderte und Kritik an einer vorbeugenden Kriminalisierung von Flüchtlingen äußerte. „Es muss klare Regeln geben, aber auch das Gespräch“ – in aller Klarheit, Offenheit und geprägt von Respekt.

„Mutinjektion für den Bund“

„Ich würde mir eine Mutinjektion für den Bund wünschen“: Mit diesen Worten formulierte Landau schließlich eine weitere Forderung, über die Konsens am Podium herrschte, nämlich jene nach einem eigenen Integrationsstaatssekretariat. Denn: „Bei Integration geht es um weit mehr als um Sicherheit, daher sind die Agenden im Innenministerium schlecht aufgehoben.“

Die Aussendung zur Pressekonferenz sowie Informationen über die Forderungen der IV zum Thema Integration gibt´s hier. Ein interessantes Interview mit Kapsch führte meine ehemalige derStandard.at-Kollegin Maria Sterkl: „Migrationspolitik ist nicht wirtschaftsfreundlich“. Nicht nur die IV, auch die Wirtschaftskammer Wien nimmt sich des Themas an, und zwar mit einer netten Kampagne: „Wiens Wirtschaft spricht alle Sprachen“