Zu den möglichen Urhebern und Hintergründen der Anschlagsserie im ägyptischen Badeort Dahab antwortet: „Sandmonkey“, ein Blogger aus Kairo. (Ein Interview für derStandard.at)
derStandard.at: Wer steckt hinter den Anschlägen?
Sandmonkey: Es gibt noch keine genaueren Informationen, aber die Vermutung, dass es nur eine lokale Gruppe aus Sinai ist, halte ich für lächerlich. Natürlich wurde der Gruppe von den Beduinen geholfen, damit sie an Sprengstoff kommen, aber ich zweifle sehr stark daran, dass nur lokale Beduinen dahinter stecken, obwohl sie sicherlich involviert sind und als Komplizen fungiert haben.
derStandard.at: Die Anschläge kamen nach einer Botschaft, die von Osama Bin Laden stammen soll. Sehen Sie eine Verbingung zur Al Quaida?
Sandmonkey: Traurigerweise sind sie alle verbunden. Auch die Organisationen, die behaupten, islamistisch aber nicht gewalttätig zu sein, wie die Muslim Bruderschaft. Wenn man die Geschichte der islamistischen Terror- Organisationen betrachtet, entsprangen sie alle von der Bruderschaft, mit Wurzeln bei den Wahhabiten in Saudi-Arabien. Ayamn Al Zawahiri stammt von der Bruderschaft, Islamic Jihad auch. Hamas ist die Bruderschaft in den besetzten Gebieten, und auch die dänischen Geistlichen, die die Cartoon-Kontroverse gestartet haben, gehören dazu, wie sie selber eingestanden haben.
Also: Ja, ich glaube, dass sie alle vernetzt sind in ihrem Anliegen und Ziel, einen islamischen Scharia-Staat in allen muslimischen Ländern zu errichten. Es würde mich deshalb auch nicht überraschen, wenn es eine Verbindung zwischen den Tonbandaufnahmen und den Anschlägen gäbe.
derStandard.at: Experten meinten, die Terroristen wollen in Ägypten Zusammenstöße mit den Kopten provozieren. Könnte das gelingen?
Sandmonkey: Es passiert ja bereits. In den letzten sechs Monaten hat es sechs seperate Vorfälle verstreut über ganz Ägypten gegeben, bei denen es Auseinandersetzungen zwischen Muslimen mit Kopten gab und bei denen Kopten getötet wurden.
Ein Bürgerkrieg ist nicht wirklich ihr Ziel, weil dies einem Völkermord gleich käme. Zugleich aber wäre es sehr wohl in ihrem Interesse, denn dies würde erstens die Regierung destabilisieren und zeigen, dass diese unfähig ist, die Minderheiten im Land zu schützen. Das wiederum würde zu Konflikten zwischen Ägypten und westlichen Staaten führen.
Zweitens würde dies dazu beitragen, die Bevölkerung zu radikalisieren und damit die Gleichung zu unterstützen, die lautet: „Christen=Ungläubige“, und zwar überall. Wenn sie die ägyptischen Muslime überzeugen können, dass es in Ordnung ist ihre christlichen Landsleute zu töten, wäre es nicht mehr allzu schwierig ihnen einzureden, dass auch europäische Christen Ungläubige sind, die getötet werden müssen.
derStandard.at:Ein Wissenschafter sagte auf CNN, Beduinen seien bis jetzt eher nicht anfällig für Terrorismus gewesen. Gab es hier eine Radikalisierung?
Sandmonkey: Die Beduinen sind keine religiösen Extremisten. Sie sind Waffen- und Drogenschmuggler, die einen verzerrten Sinn von Ehre und Würde haben. Nach den Anschlägen von Taba hat die Regierung entschieden, sie verantwortlich zu machen und tausende von ihnen wurden inhaftiert.
Dabei wurden sie gefoltert und ihre Frauen wurden vergewaltigt. So macht der ägyptische Sicherheitsapparat seine „Untersuchungen“. Das hat die Stammesführer natürlich extrem wütend gemacht und hat sie davon überzeugt, dass sie sich an der Regierung rächen müssen. In dieser Situation haben die Terroristen ein leichtes Spiel, wenn sie unter den Beduinen nach Verbündeten suchen, die ihre Ehre wiederherstellen möchten.
derStandard.at: Werden die Extremisten immer noch von der Bevölkerung unterstützt?
Sandmonkey: Ja, mehr oder weniger. Sie machen „die Juden“ für die Explosionen verantwortlich. Muslime sind einfach unfähig zu akzeptieren, dass es tatsächlich Monster gibt, die im Namen des Islam solche Untaten verüben.
Wenn also solche Anschläge wie in Dahab verübt werden, sagen sie „Das können keine Muslime gewesen sein. Das müssen Leute gewesen sein, die dafür bezahlt wurden, sich als Muslime auszugeben mit dem Ziel, Menschen muslimischen Glaubens weiter zu diffamieren. Wahrscheinlich wurden sie von Juden bezahlt.“
Dabei wird übersehen, dass es dieselben Menschen sind, die für die Ausschreitungen nach der Veröffentlichung der dänischen Mohammed- Karikaturen verantwortlich waren und damals Botschaften angezündet haben. Die muslimische Bevölkerung scheint sich zu weigern, die Realität anzuerkennen, nämlich den radikalen wahhabitischen Islam. Stattdessen hängen sie lieber Verschwörungstheorien an und schieben die Schuld auf „die bösen Zionisten“. Das ist der Grund, warum die Extremisten immer noch auf Unterstützung in der Bevölkerung stoßen.
derStandard.at: Wie sollte die Regierung auf den Terror reagieren?
Sandmonkey: Sie muss Innenminister Habib Al Adly feuern, weil es bereits der sechste Anschlag innerhalb von 18 Monaten war, ohne die Attacken auf Kirchen und Christen mitzurechnen.
Sie müssen mit den Beduinen reden, eine Friedensvereinbarung mit ihnen treffen und sie dazu bringen, die Regierung bei der Ergreifung der Terroristen zu unterstützen.
Aber was passieren wird: Habib Al Adly wird bleiben, weil das Konzept verfolgt wird, der Schutz Ägyptens ist gleichbedeutend mit dem Schutz der Regierung und nicht der Bevölkerung. Sie werden wahrscheinlich wieder die gleiche ungeschickte Taktik verwenden wie vorher, und das wird für immer so weiter gehen.
derStandard.at: Wie gefährlich sind Reisen nach Ägypten beziehungsweise welchen Rat würden Sie Österreichern geben, die nach Ägypten reisen wollen?
Sandmonkey: Es ist derzeit nicht gefährlich nach Ägypten zu reisen. Mal ehrlich: Wohin würden Sie fahren: Madrid, London oder Bali? In all diese Orte gab es schon Anschläge.
Man muss bedenken, nach welchem Muster diese Anschläge passieren: Sie wurden alle an ägyptischen Feiertagen verübt. So lange man nicht zu dieser Zeit reist, ist man in Sicherheit. Außerdem gibt es eine Regel: Erst wenn irgendwo ein Anschlag passiert, sichern die Sicherheitskräfte diesen Ort. In diesem Sinne sind Taba und Sharm-El-Sheikh nun sehr sicher für Touristen, das gleiche trifft auf Dahab zu, sobald die Aufräumarbeiten beendet sind.
Ich würde Touristen empfehlen, so bald wie möglich zu kommen und ihren Urlaub hier zu genießen. Wenn auch nur, um diesen Terroristen-Bastarden zu zeigen, dass sie es nicht schaffen werden, sie einzuschüchtern und von einem Urlaub abzuhalten. Die Terroristen genießen es, Angst zu machen. Zeigt Ihnen, dass Ihr keine Angst habt, andernfalls haben sie gewonnen.
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