„Merci, Sarkozy“, rufen die einen, die sich vor den Türen des Palais de l´Elysée eingefunden haben, um „ihrem“ Präsidenten ein letztes Mal zuzujubeln. „Francois, Président!“, rufen die anderen, die „ihrem“ Präsidenten als erste zujubeln wollen. Es ist Dienstag Vormittag und während hinter den Türen der Nr. 55 der Rue du Faubourg Saint-Honoré die Amtsübergabe stattfindet, veranstalten die AnhängerInnen des alten und des neuen Präsidenten vor der Türe geradezu einen Sprechchor-Wettbewerb.
„Wir sind in der Scheiße!“, sprechen Sarkozys Leute unverhohlen aus, was sie von der derzeitigen Seite halten – bzw. sie rufen vielmehr. Nur wenige Meter weiter wird Hollande gehuldigt. „Sarkozy, gib das Geld von Gaddhafi zurück“, fordert ein Hollande-Anhänger. „Und das Zelt auch!“, ergänzt ein anderer und erntet dafür zustimmendes Gelächter. Im Großen und Ganzen findet all dies respektvoll statt, nur hin und wieder gehen die Emotionen der einen AnhängerInnen beim Kontakt mit den anderen durch.
Hinter den Türen geht es deutlich salbungsvoller zu: Die Amtsübergabe und -einführung folgt einem geradezu monarchisch wirkenden Protokoll – bis hin zu Kanonenschüssen (lesenswert dazu die amüsanten Tweets des Spiegel-Journalisten Mathieu von Rohr, eine Nachlese gibt´s unter derStandard.at).
„Nächster Treffpunkt ist der 17. Juni – an der place de la Concorde“, verspricht indessen ein Sarkozy-Anhänger vor der Tür. Er spricht den zweiten Durchgang der Parlamentswahl an. Für diese haben die UMP-Leute einen Spruch der Linksfront usurpiert: „Résistance“ – gepaart mit dem „Maintenant!“ der Hollande-Kampagne. „Ja, ja, und da werden dann zwei Millionen Menschen auf der Straße sein“, stichelt ein Hollande-Anhänger. Er spricht dabei auf die Kundgebung vom 1. Mai an, bei der der UMP allzu geschönte TeilnehmerInnenzahlen vorgeworfen wurden. Und so trietzen sich die AnhängerInnen der beiden Lager und zeigen auch angesichts eines heftigen Regengusses keine Ermüdungserscheinungen: „Bravo, Francois“, wird skandiert und je nach Lager lautet die Antwort „Fillon“ oder „Hollande“.
Während sich die Hollande- und Sarkozy-AnhängerInnen miteinander beschäftigen, hat Hollande den Elysée-Palast bereits verlassen und ist auf dem Weg zum Arc de Triomphe, der zweiten Station seines Amtsantritts. Auf dem Weg dorthin höre ich Radio und lerne staunend, welche Titel der Präsident der Republik (!) außerdem trägt – abgesehen davon, dass er ein Kofürst von Andorra ist: Z.B. ist er Domherr der Kirche Saint Germain des Près oder von St. Hilaire von Potiers – auch wenn diese Funktionen nie von einem Präsidenten ausgefüllt wurden. Und im Gut Chambéry darf er jagen gehen. So stolz die FranzösInnen auf ihre Republik sind: Viele Relikte aus der Monarchie sind hier noch erhalten geblieben.
Auf dem Weg zum Arc de Triomphe werde ich ebenso kleschnass wie Hollande in seinem Dienstwagen, denn über Paris ergießt sich erneut ein heftiger Regenschauer. Im Radio zeigt man sich fasziniert, dass sich Hollande davon nicht beeindrucken lässt. Außerdem wird darüber spekuliert, mit welchem Verständnis er sein Amt anlegen werde. Ein Stichwort, das immer wiederkehrt, ist schon aus dem Wahlkampf bekannt: Er sei ein normaler Präsident.
Außerdem bleibt Hollande an diesem ersten Tag als Präsident seinem Schwerpunkt aus dem Wahlkampf treu: Der Jugend. So ist denn nach einem Mittagessen im Elysée mit ehemaligen sozialistischen PremierministerInnen der Jardin des Tuileries die nächste Station. Dort würdigt er Jules Ferry, zentrale historische Figur des französischen Bildungssystems (Hollande betont jedoch seine Distanzierung von Ferry in einem Punkt: Dieser war Anhänger des Kolonialismus). Bevor Hollande nach Berlin abreist, steht außerdem die Wissenschaft auf dem Programm: Er erweist Marie und Pierre Curie sowie ihren Nachkommen seine Ehre. Dazwischen nimmt immer wieder ein Bad in der Menge.
Danach geht es dann auf nach Berlin – mit einer Turbulenz: Ein Blitz schlägt ins Präsidentenflugzeug ein, weshalb es umkehren muss und Hollande in einem anderen Flugzeug deutlich verspätetet in Berlin landet. Bevor er jedoch davon flog, wird vom Elysée aus noch der Name des neuen Premierministers bekannt gegeben: Jean-Marc Ayrault, bislang Präsident der Nationalversammlung. Diese Ernennung wird auch als Signal in Richtung Deutschland interpretiert. Ayrault wird heute sein Amt von Francois Fillon übernehmen – und bekanntgeben, welche Mitglieder seine Regierung außerdem haben wird.
PS: Anders als seine Vorgänger hat sich Nicolas Sarkozy dagegen entschieden, sich mit einer Rede im Fernsehen zu verabschieden. Wie man es nicht machen sollte, wenn man sich schon für diese Form der Verabschiedung entscheidet, hat im Übrigen Valérie Giscard d´Estaing vorgezeigt.
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