Die Anfang September begonnenen Verhandlungen zwischen griechischen und türkischen Zyprioten standen unter positiven Vorzeichen, immerhin gehören die beiden politischen Führer dem gleichen politischen Lager an. Aber allzu große Hoffnungen will sich lieber niemand machen, schließlich müssen die Verhandlern noch große Hürden überwinden.

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„Es müsste direkte Flüge hierher geben. Dann wäre vieles besser“, meint der Kellner des Candle Light Dinner, einem Restaurant in der Stadt Kerinia/Girne im türkischen Teil Zyperns. Dann nämlich könnten die Touristen direkt in den Norden fliegen, denn im Moment gelangt man nur auf dem umständlichen Weg über Larnaca im griechischen Inselsüden oder über den nicht weniger umständlichen und noch dazu illegalen Weg über Istanbul in den türkischen Teil der Insel. Die Geschäfte gehen nicht gut dieses Jahr, erzählt er. Eine politische Lösung, so hoffen hier viele, könnte dies endlich ändern und dem türkischen Teil Zyperns größeren Reichtum bescheren.

Die Vorzeichen für die Anfang September begonnenen Verhandlungen waren positiv. „Wer, wenn nicht die beiden, könnte es schaffen?“ Diese Frage hört man auf Zypern oft. Immerhin gehören die beiden politischen Führer, der türkische Zypriote Mehmet Ali Talat und sein griechisch-zypriotischer Kollege Demetris Christofias, dem gleichen politischen Lager an. Noch dazu versteht es Christofias im Unterschied zu seinem Vorgänger Tassos Papadopoulos positive Signale auszusenden. „Christofias meint es wirklich ernst damit, dass er uns als gleichwertige Partner anerkennt“, meint Fadil Yaradanakul, der Besitzer des Candle Light Dinner, anerkennend. Für die türkisch-zypriotische Seite ist dies ein wichtiger Punkt, denn sie werfen den griechischen Zyprioten immer wieder vor, sie bevormunden zu wollen.

Auch der griechische Zypriot Nikos Nikolaos setzt große Hoffnungen in den neuen Präsidenten Christofias, vor allem weil dieser auch heikle Themen angreift wie etwa die Überarbeitung der Schulbücher – auch das ein wichtiges Signal in Richtung der türkischen Zyprioten. „Das war längst überfällig, damit unsere Kinder endlich nicht mehr diese nationalistisch eingefärbte Sicht der Geschichte lernen, wonach die griechischen Zyprioten die Opfer sind“, findet er. „Immerhin waren es die Nationalisten auf unserer Seite, die den Konflikt in den 60er Jahren angestachelt und in manchen türkisch-zypriotischen Dörfern wahre Massaker an der Zivilbevölkerung begangen haben.“ Dennoch ist auch Nikolaos skeptisch, ob es dieses Mal gelingen wird, eine Lösung zu finden.

Gründe für Skepsis gibt es zuhauf, immerhin zeigte sich bereits beim ersten Verhandlungsthema, wie weit die Positionen auseinander liegen. „Ich würde meine Stimmungslage mit den Worten Optimismus mit Vorbehalt beschreiben“, sagt der griechisch-zypriotische Unterhändler Georgios Iacovou im Interview und verweist auf das Tauziehen über die Gestaltung des politischen Systems eines wiedervereinigten Zyperns. Es ist gerade einmal das erste Thema der Verhandlungen, viele andere liegen noch vor den Beteiligten. Als nächstes will man die Frage des Eigentums angehen, ein nicht minder schwieriges Thema. Denn bei ersterem geht es um das zukünftige Zusammenleben, bei der zweiten Frage geht es um die Entschädigung für vergangenes Unrecht.

Auch um die Zukunft geht es beim nächsten Thema, das geradezu ein Dauerbrenner ist: Dem Abzug der türkischen Truppen sowie der Rolle Ankaras. Die türkisch-zypriotische Führung fordert, dass die Türkei ihren Status als Garantiemacht – neben Griechenland und der Türkei – beibehalten soll. Auf Ablehnung stößt diese Forderung nicht nur bei den griechischen Zyprioten. Şener Levent, der Chefredakteur der türkisch-zypriotischen Zeitung „Afrika“, hält mit seiner Meinung über die Rolle der drei Länder nicht hinter dem Berg: „Alle haben große Schuld auf sich geladen: Die Briten haben bei Ausbruch des Bürgerkriegs im Jahr 1963 keinen Finger gerührt, um die Ordnung wieder herzustellen; die griechische Junta hat im Jahr 1974 den Putsch gegen die zypriotische Regierung unterstützt; und die Türkei, die daraufhin interventiert ist und den Norden besetzt hat: Was wollen wir bloß mit solchen Garantiemächten?“

Scharfe Worte findet er auch zu den anatolischen Siedlern, die von der Türkei nach 1974 gezielt im Norden der Insel angesiedelt wurden: „Sie sind aus einem einzigen Grund auf Zypern: Um die Besatzung zu legitimieren.“ Vor der Inselteilung nämlich war der Norden wie alle anderen Gebiete der Insel gemischt bewohnt, wobei die griechischen Zyprioten die Mehrheit waren. Nach der Teilung wurden Türken vom Festland von Ankara im Inselnorden angesiedelt, um sicherzustellen, dass dieser Teil türkisch bleibt.

Für Verhandlungsführer Iacovou ist die Rückkehr der Siedler sogar eine „wesentliche Hürde“. Es gibt keine verlässlichen Daten darüber, wie viele Siedler im Norden leben, sicher aber ist, dass sie die türkischen Zyprioten zur Minderheit in ihrem eigenen Land gemacht haben. Daher sind sie bei den meisten türkischen Zyprioten auch nicht sonderlich beliebt, sie halten die Siedler für ein Teil des Problems. Restaurantbesitzer Yaradanakul ist pragmatischer: „Wir brauchen Arbeitskräfte im Norden, im Süden kommen diese aus Sri Lanka oder Pakistan, bei uns eben aus der Türkei.“ Ein inakzeptabler Vergleich, findet der Journalist Levent: „Die türkischen Siedler sind keine normalen Migranten, sie wurden aus einem einzigen Grund nach Zypern gebracht: Um die türkische Besatzung zu legitimieren.“

Die Regierung Christofias strebe hier eine humanitäre Lösung an, betont Iacovou und führt Beispiele an: „Wenn Menschen hier schon sehr lange leben und Kinder haben, die hier geboren wurden, sollen sie bleiben können, ebenso Siedler, die türkische Zyprioten geheiratet haben.“ Der griechisch-zypriotische Präsident Demetris Christofias hat bereits angekündigt, den Verbleib von 50.000 Siedlern zu akzeptieren. Das wären um 5.000 mehr als im Annan-Plan vorgesehen waren, der vor vier Jahren gescheitert ist.

Die Hürden sind groß und noch dazu spielen die beiden Seiten derzeit noch mit verdeckten Karten. Viele Zyprioten wollen daher nur ungern darüber sprechen, ob sie an eine Lösung glauben und was sie sich davon erhoffen. „Es ist, als würde uns jemand wie einem Esel eine Karotte vor die Nase halten und wir folgen dieser Karotte, ohne sie jemals zu kriegen“, illustriert ein junger türkischer Zypriot aus Nicosia seine Gefühlslage. „Ich will lieber nicht mehr drüber nachdenken“, meint auch Restaurantbesitzer Yaradanakul. Denn selbst wenn sich die beiden politischen Führer einigen sollten, ist noch lange nicht alles gegessen. Immerhin soll es wieder ein Referendum geben – und beim letzten Mal scheiterte die Lösung genau dort am Nein der griechischen Zyprioten.