Gerade einmal 790 Einwohner hat der Kärntner Ort Weissensee. Im Sommer steigt die Einwohnerzahl aber drastisch an, denn dann kommen die Gäste. Politisch ist der Weissensee eine traditionelle ÖVP-Gemeinde. Seit einem Jahr aber hat der Ort mit Johann Weichsler einen roten Bürgermeister. Im Gespräch mit derStandard.at erzählt er über seinen Alltag als SPÖ-Bürgermeister in der ÖVP-Gemeinde. Mit Blau-Rot hat er kein Problem, mit dem „Weissensee-Fan“ Haider versteht er sich zwar gut, zu seinen Sagern denkt er sich aber manchmal seinen Teil.

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Dass es dem Sozialdemokraten in der traditionell schwarzen Gemeinde gelungen ist zum Bürgermeister gewählt zu werden, davon ist Johann Weichsler selbst überrascht: „Wie ich das geschafft habe? Das frage ich mich manchmal selbst.“ Die Freiheitlichen hatten keinen Kandidaten nominiert und in der ÖVP habe es „Meinungsverschiedenheiten“ gegeben.

Möglich gemacht habe es dann die Direktwahl. „Ich bin halt doch schon seit 24 Jahren im Gemeinderat“, erklärt er. Sein Mitstreiter von der ÖVP habe hingegen zum ersten Mal kandidiert. „Vielleicht hat das die Bevölkerung honoriert“, vermutet Weichsler.

Kleinste Fraktion im Gemeinderat

Der erste SPÖ-Bürgermeister in der ÖVP-Gemeinde ist Johann Weichsler nicht, auch sein sozialdemokratischer Großvater hat dieses Amt in den 50er Jahren einmal bekleidet. Die SPÖ hat in dem Dorf aber keine große Basis, das zeigt das Ergebnis der Gemeinderatswahlen: Die ÖVP ist mit fünf Mandaten die stärkste Partei im Gemeinderat, dann kommen die Freiheitlichen mit drei und die SPÖ mit drei Mandaten. „Wir lagen zwar nur 15 Stimmen hinter der FPÖ, aber wir sind die schwächste Fraktion“, erklärt Weichsler.

Grün ohne Grüne

Die Grünen haben am Weissensee bislang nicht Fuß gefasst. Bei den Landtagswahlen gibt es zwar Stimmen für die Grünen, sie würden da sogar um die acht bis neun Prozent der Stimmen bekommen. Auf Gemeindeebene vertreten sind sie aber nicht: „Eine grüne Liste ist bisher nicht angetreten“, erzählt Weichsler. Aber es gebe in jeder Fraktion Leute, die „grün angehaucht“ sind. Schließlich würden die Leute auch von der Natur und vom Tourismus leben: „Dann müssen wir auch drauf schauen.“

Hundert Prozent Männer

Bei den Gemeinderatswahlen hat Weichsler noch einmal Glück gehabt, denn die SPÖ hat bei den Wahlen relativ gut abgeschnitten: „Wir haben Gottseidank das dritte Mandat dazu gewonnen. Sonst wäre ich im Vorstand ohne Stimmrecht gewesen.“ Dass die SPÖ die kleinste Fraktion ist, sei aber kein Problem, erklärt Weichsler, denn die Beschlüsse würden ohnehin in 99 Prozent der Fälle einstimmig fallen. Ein Manko hingegen sei die Gleichberechtigung: „Frauen haben wir leider keine im Gemeinderat. Wir sind zu 100 Prozent Männer.“ Es sei am Weissensee für Frauen aber auch schwer, denn alle hätten zu Hause ihren Betrieb. Das sei bei den Männer zwar auch so, „aber normalerweise hat schon die Frau die Zügel in der Hand. Die Männer haben da manchmal andere Interessen.“

Kleine Organisation

Die SPÖ am Weissensee ist eine ganz kleine Organisation mit rund 15 Mitgliedern. Weichsler geht davon aus, dass seine Partei so um die 40 StammwählerInnen hat. Die Klientel in der Gemeinde, in der die Landwirtschaft einmal der wichtigste Wirtschaftszweig war, habe sich früher vor allem aus Arbeitern der Bundesforste rekrutiert, erklärt der Sozialdemokrat.

Heute sind in der SPÖ-Fraktion auch Berufsgruppen vertreten, die keine traditionellen sozialdemokratischen Anhänger sind: Neben Weichsler selbst sitzen ein Wirt und ein Unternehmer im Gemeinderat. „Es muss ja nicht gesagt sein, dass ein Wirt oder ein Unternehmer nur ÖVP oder Freiheitlich wählt. Genauso gibt es am Weissensee viele Arbeiter, die ÖVP wählen.“ Weichsler selbst zählt zur traditionellen Klientel, denn er ist Angestellter der Gemeinde.

Auch beruflich für die Gemeinde unterwegs

Auch als Bürgermeister übt er seinen Beruf weiterhin aus. „Da die Gemeinde unter 1.000 Einwohner hat, habe ich nur ein geringes Gehalt. Der Bürgermeister wird ja nach den Einwohnern bezahlt und von dem Gehalt kann ich praktisch nicht leben, sondern muss nebenbei arbeiten“, erklärt Weichsler. Er arbeitet im Außendienst der Gemeinde. Dabei sei er im ständigen Kontakt mit der Bevölkerung und das, so meint er, könnte auch ein Grund gewesen sein, warum er gewählt wurde.

„Lieber Freiheitlich als Rot“

Auf Landesebene geht es der SPÖ besser als am Weissensee, bei bei den Landtagswahlen im März ist es den Sozialdemokraten aber nicht gelungen, wieder stärkste Fraktion zu werden. Weichsler führt das auf die Verluste der ÖVP zurück: „Die ÖVP-Wähler wählen halt eher einen Freiheitlichen, bevor sie einen Roten wählen.“ Dies habe den Wahlerfolg der FPÖ ermöglicht, doch Weichsler ist zufrieden: „Wir haben sechs Prozent dazu gewonnen, was will man mehr?“

„Rot-Blau war notwendig“

Die Blau-Rote Koalition, die innerhalb der SPÖ für Aufruhr gesorgt hatte, sei notwendig gewesen, meint Weichsler. „Sonst wären wir die nächsten fünf Jahre auch noch ausgegrenzt worden. So können wir jetzt wenigstens mitreden und sind bei den Referaten auch besser bedient.“

„Weissensee-Fan“ Jörg Haider und seine „Sager“

Mit Jörg Haider hat er kein Problem, er kennt ihn sogar persönlich: „Ich kenne den Herrn Landeshauptmann gut, der ist ja ein Weissensee-Fan. Er war früher oft hier. Er kommt gerne rauf, auch privat.“ Er habe seine „Einstellungen und seine Sager“ und ob diese gut oder schlecht seien, das sei sein Problem: „Ich denke mir meinen Teil, ich kann ihm eh nicht vorschreiben, was er sagt.“ Auf den Fremdenverkehr am Weissensee habe es sich nicht negativ ausgewirkt, dass der international umstrittene Politiker Haider Landeshauptmann ist: „Den Gästen ist egal, was unser Hauptmann so sagt.“

Die Stammgäste und die Jugend

Der Tourismus hat am Weissensee eine lange Tradition: Schon in den 20er Jahren kamen die ersten Gäste zur „Sommerfrische“. Auch heute noch kommen viele Gäste schon seit Jahrzehnten. „Vor 14 Tagen habe ich eine Frau für 65 Jahre Weissensee geehrt“, erzählt Weichsler. „Bei jeder Gästeehrung sind Leute dabei, die schon seit 45 oder 50 Jahren kommen.“

Ohne die Jugend gehe es allerdings auch nicht. Das sei aber „ein eigenes Kapitel“, gibt Weichsler zu. „Auf der einen Seite haben wir eben viele Stammgäste, die wollen ihre Ruhe haben. Auf der anderen Seite sollte man für die Jugend auch was machen.“ Für Jugendliche, die gerne am Abend weggehen, gibt es am Weissensee aber nicht viele Angebote. „Wir haben eh nur zwei Lokale, die für die Jugend geeignet sind“, erklärt Weichsler, und da gäbe es immer wieder Probleme mit den Nachbarn.

„Wir haben auch einmal rauschiger heimgsungen“

Er versuche aber bei den älteren Gästen um Verständnis für die Jugend zu werben: „Wenn ich mit den Gästen rede, muss ich sie immer darauf aufmerksam machen, dass sie auch einmal jung waren. Ich bin mittlerweise auch bald 50 und wir haben auch einmal rauschiger heimgsungen“, erzählt der Bürgermeister mit einem Schmunzeln und verspricht Besserung: „Ich habe schon was im Hinterkopf. Aber das braucht noch zwei bis drei Jahre.“ (Sonja Fercher, derStandard.at, 26.8.2004)

Aus der Serie „Politische Sommerfrische“: Die RedakteurInnen von derStandard.at/Politik machen Ferien – und nutzen die Gelegenheit zum Gespräch mit PolitikerInnen aus der Region und an der Basis.