Mitarbeiterinnen des Roten Kreuzes über Schwierigkeiten ihrer Arbeit im wieder aufgeflammten Bürgerkrieg auf Sri Lanka. (Ein Artikel für derStandard.at)


Nach wie vor sind die Schäden nicht vollständig beseitigt, die der Tsunami auf Sri Lanka angerichtet hat, der nun wieder aufgeflammte Bürgerkrieg könnte den Wiederaufbau gefährden. In der Stadt Batticaloa im Osten des Landes ist das österreichische Rote Kreuz stationiert und betreut mehrere Wiederaufbauprojekte. Insgesamt 600 Häusern sollen gebaut werden, 250 davon werden derzeit tatsächlich gebaut. Südlich von Batticaloa baut die Hilfsorganisation eine Mutter-Kind-Station.

Neuerdings aber sind die MitarbeiterInnen wieder im „Emergency“-Einsatz: „Wir beteiligen uns jetzt wieder an der Versorgung der internen Vertriebenen“, berichtet Projektleiterin Andrea Reisinger im Gespräch mit derStandard.at. Weil die HelferInnen des Roten Kreuzes keine ÄrztInnen sind, kommt ihnen die Aufgabe zu die Verteilung der Hilfsmittel zu koordinieren. „Die letzten paar Tage haben wir zum Beispiel Damenbinden, Zündhölzer und Dinge besorgt, die Menschen benötigen, die überhaupt keine Mittel haben um zu überleben“, beschreibt sie ihre Arbeit.

Artilleriebeschüsse

Das Rote Kreuz ist zwar in einer ruhigen Zone der Stadt untergebracht, das Büro wurde strategisch so ausgewählt, dass eine schnelle Evakuierung möglich ist. In der Nähe des Büros aber wird gekämpft: „Nicht weit weg von uns ist das Regierungsviertel, wo wir täglich Artilleriebeschüsse hören“, erzählt Marianne Pecnik, die als Architektin den Häuserbau betreut. Es bestehe aber keine Gefahr, dass sie selbst unter Schuss geraten, betont sie.

Die größten Schwierigkeiten bereite ihnen derzeit der Transport von Baumaterial zu den Baustellen. Im Moment sei sie deshalb jeden Tag unterwegs, erzählt Pecnik. Um zum Beispiel nach Nasivenivu nördlich von Batticaloa zu gelangen, wo die 250 Häuser gebaut werden, muss man eine Brücke passieren, erzählt die Architektin. Dies sei aber nur mit besonderen Genehmigungen möglich, weshalb sie nun selbst hinfahre, um mit Militär und Polizei zu verhandeln. Ein Hürdenlauf, wie Pecnik beschreibt: „Es wird jedes Zementpackerl abgezählt, wir müssen die genaue Stückzahl der einzelnen Materialien anführen, dann wird das vom Militär kontrolliert. Anschließend werden die Fahrer und wir selber kontrolliert.“ Die große Sorge der Regierung: Wenn die LTTE Zugang zu Baumaterial bekommt, könnte sie dies für den Bau von Bunkeranlagen und ähnlichem verwenden.

Energie, Nerven und Zeit

„Es braucht endlose Diskussionen, bis man das Material durchbringt. Das kostet viel Energie, viel Nerven und vor allem viel Zeit“, seufzt sie. Dabei ist das Rote Kreuz in einer privilegierten Position und könne sich deshalb noch relativ frei bewegen. Andere NGOs hätten es da deutlich schwieriger, so Pecnik.

Aber immerhin läuft das Projekt weiter, bis Ende des Jahres sollen die Häuser fertig werden. Ein anderes Projekt hingegen musste angesichts der Kämpfe überhaupt abgesagt werden: „In Panikancherni war noch ein Projekt mit 400 Häusern geplant“, berichtet Pecnik. „Das liegt aber im Rebellengebiet und weil sich die Situation verschärft hat, haben wir es endgültig abgesagt“, bedauert Pecnik. Es werde aber bereits an Alternativen gearbeitet, betont sie.

Weniger kritisch, aber dennoch problematisch ist die Situation in Kokkaddicholai, wo das Rote Kreuz eine Mutter-Kind-Station baut. Zu diesem Projekt haben die Mitarbeiterinnen im Moment keine Zutritt. „In Kokkaddicholai hat es vor drei Wochen einen Luftangriff gegeben. Das ist eine reine LTTE-Area und die Arbeiten in Kokkaddicholai werden von Batticaloa aus koordiniert“, erzählt Pecnik. Täglich treffen sich die Rot-Kreuz-Mitarbeiterinnen mit den Handwerkern und Bauleuten im Büro und machen eine Lagebesprechung.

Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen

Das sind aber nicht die einzigen Einschränkungen in der Arbeit. Angesichts der Kämpfe wurden die Sicherheitsmaßnahmen für das Rote Kreuz deutlich verschärft: „Wir dürfen nie vor acht Uhr aus der Stadt raus fahren und müssen immer vor Sonnenuntergang in der Stadt sein, wir fahren nur mehr mit Funkverbindung raus, wir haben Fahnen auf den Autos, unsere Häuser sind ganz klar als Häuser des Roten Kreuzes gekennzeichnet“, beschreibt Reisinger die Rahmenbedingungen der Arbeit.

Nicht umsonst lässt man Vorsicht walten, denn erst kürzlich wurden mehrere Tsunami-Helfer umgebracht. Ein Vorfall, der auch Reisinger beunruhigt: „Damit wurde eine Schwelle überschritten, wo nichts mehr unmöglich ist“. Denn niemand hätte erwartet, dass so etwas auf Sri Lanka passieren konnte, meint sie. Zuletzt wurde die Ermordung einer Rot-Kreuz-Helferin gemeldet, bestätigt habe sich dieser Bericht allerdings noch nicht, betont Pecnik. „Es häufen sich momentan sehr, sehr viele Gerüchte“, relativiert sie. Nur ein kleiner Teil davon stelle sich als wahr heraus.

Alltag

Deshalb sehen die beiden Österreicherinnen auch keinen Grund für den Abbruch ihrer Arbeit: „So lange es geht, werden wir sicher hier bleiben“, so Pecnik. Die Arbeit sei zwar momentan erschwert, der Alltag gehe für sie aber ganz normal weiter: „Die Zusammenarbeit mit den Menschen hier passt noch immer, das Office ist jeden Tag ganz normal besetzt.“

Prognosen über die weitere Entwicklung des Konflikts wagt Projektleiterin Reisinger nicht. Dass es nur eine vorrübergehende Eskalation sei, das bezweifelt sie: „Ich bin jetzt seit eineinhalb Jahren in Sri Lanka und es gab immer wieder ruhige Phasen und wieder schlechtere Phasen“, erzählt Reisinger. Allerdings habe sie das Gefühl, dass sich die Lage im Laufe der Zeit immer mehr verschlechtert habe: „Und jetzt ist es die mit Abstand schlechteste Phase, seitdem ich da bin“, so Reisinger.

Noch auf Hilfe angewiesen

Gerade im Osten des Landes sei die Arbeit zwar immer deutlich schwieriger, denn diese Seite der Insel ist nicht nur ehemaliges Konfliktgebiet, sondern auch von der Infrastruktur her nicht so gut erschlossen. Der Tsunami tat das Seine: „Der Wiederaufbau ist leider noch nicht abgeschlossen, es gibt immer noch Leute, die auf unsere Hilfe angewiesen sind“, berichtet Reisinger.

Tragisch findet sie die neuerlichen Kämpfe denn auch deshalb, weil sich die Lebensbedingungen aus ihrer Sicht um Einiges verbessert hatten: „Wir sehen das zum Beispiel in unserem Dorf: Die Menschen hier haben bislang sehr ärmlich gelebt und kriegen jetzt ein robustes Haus – ein kleines zwar, aber ein robustes.“ Auch habe es einen spürbaren wirtschaftlichen Aufschwung gegeben, viele Geschäfte hätten eröffnet, so Reisinger. „Das macht der Krieg jetzt wieder kaputt.“