Manager rühren ständig in Betrieben um, um die Gewinne zu steigern. Die ArbeitnehmerInnen bekommen selten ihren gerechten Anteil. Erschienen in: AK Für Sie, 12/2012-01/2013.

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Wenn ich jetzt über die Straße gehe und ich sehe Herrn Doktor Cirinà: Der kennt mich persönlich.“ Genau das, nämlich seinen obersten Chef direkt am Ort zu treffen, wird sich für Alfred Huber nun ändern. Huber ist Betriebsrat der Immobilienverwaltung der Generali. Der neue Arbeitgeber sitzt nunmehr in Paris und Triest, wohin dieser Teil der Generali verkauft wurde.

Immer flexibler

Die Immobilienverwaltung der Generali ist ein typisches Beispiel für das, was als „Strukturwandel in der Wirtschaft“ bezeichnet wird. Ob ständig wechselnde Arbeitszeitmodelle, Ausgliederungen von EDV oder Putzdienst bis hin zum Verkauf: In den Betrieben rührt das Management ständig um, um die Gewinne zu erhöhen.

Die AK hat eine Umfrage unter BetriebsrätInnen gemacht, um Auswirkungen
auf die ArbeitnehmerInnen greifbar machen zu können. Ein ernüchterndes Ergebnis daraus: In zwei Dritteln der Betriebe stiegen im letzten halben Jahr die Flexibilitätsanforderungen, in mehr als der Hälfte der Zeitdruck – gleichzeitig verschlechterte sich das Betriebsklima.

Die Beschäftigten haben nur wenig vom vielgepriesenen Wandel. Während Umsätze und Gewinne steigen, trifft dies auf das Einkommen nicht zu: In jedem fünften Betrieb ging die Schere zwischen niedrigen und hohen Löhnen oder Gehältern auseinander. „Die Entlohnungssysteme müssen gerechter werden“, fordert deshalb Christina Wieser von der Abteilung Betriebswirtschaft der AK. „Diese müssen auf langfristigen, nachhaltigen Kriterien basieren.“

Vorbeugen statt nachsehen

„Ich habe eigentlich alles erlebt, was Strukturwandel betrifft – mit Ausnahme
der Liquidation des Unternehmens“, meint Johannes Hofmeister. Er ist Betriebsrat bei T-Mobile und kennt von daher die negativen Auswirkungen. „Es werden Stellen ab- gebaut, Führungspositionen in Frage gestellt, und das sorgt natürlich für große Unsicherheit im Unternehmen.“ Diese wiederum verursacht Stress: „In diesen Phasen steigen Burnout und Mobbing auffallend stark an.“

Vorbeugen statt nachsehen fordert deshalb die AK. „Der Arbeitnehmerschutz muss verbessert werden, vor allem um ge- sundheitsgefährdende psychische Belastungen zu verhindern“, sagt AK Sozialpolitik-Expertin Ursula Filipic.

Im Moment allerdings „sind wir alle Getriebene“, beschreibt T-Mobile-Betriebsrat Hofmeister die Praxis des Strukturwandels. Er sieht seine Aufgabe darin, die KollegInnen zu informieren: „Ich führe Gespräche, kann die Anliegen der Belegschaft im Aufsichtsrat einbringen, verhandle über Betriebsvereinbarungen und Sozialpläne. Ich kann den Schmerz lindern.“ Eine Auslagerung könne er aber nicht verhindern, wenn sie einmal beschlossen ist. Das Einzige: „Der Betriebsrat kann verhindern, dass die Menschen unter die Räder kommen“, so Hofmeister.

Tempo rausnehmen

Meistens gehen Umstrukturierungen bei T- Mobile in rasantem Tempo vonstatten. Betriebsrat Hofmeister fordert deshalb eine „Cooling-Phase“: „Nachdem ein Plan vorgelegt wird, sollte es eine Frist von vier Wochen geben, damit wir noch die Chance haben, etwas zu ändern.“ Erst dann sollten die Pläne umgesetzt werden können. „Betriebsrätinnen und Betriebsräte müssen früher in die Planungen mit einbezo- gen werden“, fordert AK Expertin Wieser. Betriebsrat Hofmeister wünscht sich außerdem Sanktionen, wenn sich das Management nicht daran hält.

Die Ferne des Arbeitgebers führt zu einer Entfremdung. Für die MitarbeiterInnen der Generali Immobilien hat der Verkauf außerdem zur Folge, dass sie nun in Konkurrenz mit ihren neuen KollegInnen in der Generali Real Estate in Frankreich, Italien oder Spanien stehen. „Dann wird man wahrscheinlich Birnen mit Äpfeln vermen- gen und sagen: Die Italiener schaffen das mit weniger Kopfzahl, wie es üblich heißt, also gehört sie auch in Wien runter.“

Doch gibt es nicht auch positive Entwicklungen? „Ich werde sie mir aufschreiben“, meint Huber und ergänzt: „Manche Mitarbeiter lernen jetzt Italienisch.“ Einigen steht auch eine Karriere in der neuen euro- päischen Immobiliengesellschaft offen. Johannes Hofmeister von T-Mobile wieder sagt: „Es wird einem nicht langweilig. Aber ich meine, dass dies nicht der menschlichen Natur entspricht. Um eine optimale Leistung abliefern zu können, brauchen Menschen das Gefühl der Sicherheit.“