Zugegeben, auch mit schockieren die nun häufenden Berichte über Gewalttaten von Jugendlichen in Deutschland. Entsetzt bin ich aber auch darüber, dass sich wieder einmal ein Populist (in diesem Fall Roland Koch) gefunden hat, der dieses Thema für seine Zwecke (Wahlkampf) missbraucht. Schon wieder ist von „Abschiebung“ die Rede, schon wieder ist von einer „Verschärfung von Gesetzen“ die Rede.

So hilflos die Brutalität eineN aber machen mag, die sich hier offenbart, mit abschieben – ob in Gefängnisse oder ins Ausland – wird dieses Problem sich nicht so einfach lösen lassen. Spannend dazu die Aussagen einer Jugendrichterin aus Berlin, Kirsten Heisig, im heute-Journal von vergangenen Donnerstag.

Ihrer Ansicht nach nämlich hat – zumindest in Berlin – „die Zeit der Kuschelpädagogik längst ihr Ende gefunden.“ Es würden nämlich ganz häufig „vollstreckbare Jugendstrafen verhängt“, bloß müsste die Politik, wenn sie schon Gesetze verschärfen wolle, auch die Kapazitäten zur Verfügung stellen. Im vergangenen Jahr nämlich seien in der Jugendstrafanstalt Berlin 600 Inhaftierte eingesessen, allerdings habe diese nur 500 Plätze. Heisig: „Wir sind am Ende unserer Kapazitäten“.

Zudem wies die Richterin noch auf etwas Anderes hin: Wenn ein 15-jähriger Straftäter zu einer Haftstrafe von zehn Jahren verurteilt wird, verbringt er mehr als die Hälfte seiner Lebenszeit im Gefängnis: „Das muss man auch mal ins Verhältnis setzen“, so Heisig. „Außerdem soll man ja erzieherisch wirken: Wenn ich das in zehn Jahren nicht schaffe, dann schaffe ich es auch in 15 Jahren nicht.“

Ihrer Ansicht nach müsse man vor allem eine Debatte führen: „Intensivstraftäter beginnen ihre strafrechtliche Karriere meistens, oder zumindest häufig, im Kindesalter. Häufig wird dann abgewartet, bis sie ein Fall für die Strafjustiz sind.“ Sprich bis sie 14 sind. Bis dahin aber passiere zu wenig, „um einer strafrechtlichen Karriere entgegenzuwirken. Da versagen allerlei Institutionen: Schule, Ämter, aber auch ganz massiv die Elternhäuser, die die Kinder sich selbst überlassen und sie nicht hinreichend den Bildungs- und Erziehungseinrichtungen zuführen.“ Ihr Fazit: „Da müssen wir ran und eine ehrliche Diskussion führen.“

Denn nur dann zu reagieren, wenn bereits eine Straftat begangen wurde, das reicht einfach nicht. Klar, bei den beiden Tätern aus München – so auch die Ferndiagnose der Richterin – ist eine Haftstrafe wohl die einzige Lösung wäre.

Insgesamt lebt der Rechtsstaat davon, dass Strafen nicht nur abschreckend wirken und man StraftäterInnen nicht nur einfach weggesperrt, sondern sie nach Ende der Haft auch wieder resozialisiert werden.

Aber in Zeiten des Wahlkampfs kommt Ersteres halt immer besser, während Zweiteres nach komplexeren Lösungen verlangt. Und Jugendliche an den Pranger zu stellen, ist natürlich auch einfacher als sich Gedanken über Ursachen und Möglichkeiten der Prävention zu machen.

PS: Ganz spannend dazu auch ein Artikel in der Financial Times Deutschland: „Jugendliche werden häufiger angezeigt“