Es war reiner Zufall, dass ich diese Kirche im 19e arrondissement entdeckt habe. Als ich aus dem Supermarkt kam, entdeckte ich ein kleines Weglein, am Ende ein Haus mit einem Heiligenbild. Also nichts wie hin! Als ich in den Hinterhof gelangte, erklomm ich einen kleinen Hügel, auf dem ich die kleine russisch-orthodoxe Kirche St. Serge vorfand.
Ich war also in einem Brennpunkt der Parallelgesellschaft angelangt: Einer Hinterhof-Kirche, in die Menschen zu Messen gehen, die in einer anderen Sprache als der Landessprache abgehalten werden, wo sie ihresgleichen treffen und sich somit nicht integrieren.
Doch worauf stieß ich in diesem Hinterhof? Auf vier junge Männer, die gerade dabei waren ihren Apéro zu nehmen und Pétanque zu spielten. Ach ja, sie unterhielten sich in einer Mischsprache aus Russisch und Französisch.
Ich hätte die vier am liebsten umarmt! Nicht, weil sie so „schön Französisch“ waren. Sondern weil sie einmal mehr ein Beispiel dafür lieferten, wie verkürzt die Diskussionen über Integration sind, in denen oberflächliche Kriterien aufgestellt werden, anhand derer Integration angeblich gemessen werden kann – also etwa ob Gottesdienste in der Landessprache abgehalten werden. In dieser Logik würden Apéro und Pétanque vermutlich ohnehin nicht reichen, sondern es hätte wohl eines Tests über ihre Verfassungskenntnisse bedurft, über ihre Haltung zu Frauenrechten und zu Bildung, und womöglich auch noch, ob sie denn wissen, wo sich dieser oder jener Ort in Frankreich befindet.
Es geht nicht darum, ob die anderen sich angepasst haben oder vielmehr sollte es darum nicht gehen. Worum es geht, ist das Zusammenleben. Worum es geht ist, ob Menschen auch mal einen Blick in einen Hinterhof in ihrer Umgebung werfen. Ob sie neugierig genug sind, auch ins letzte Eck zu sehen und wenn sie dort, so wie ich heute, dort Menschen antreffen und versuchen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Gerade heute nehme ich mich im Übrigen selbst an der Nase: Mich haben die Männer eingeladen, doch einen Apéro mit ihnen zu nehmen. Ich habe abgewunken, wollte mich nicht aufdrängen, statt eine Einladung anzunehmen, andere Menschen kennenzulernen und mit ihnen eine gemeinsame Zeit zu verbringen. Ja, all das ist nicht immer einfach, und manches braucht auch seine Zeit und mitunter auch mehrere Versuche. Aber es ist der Mühe wert!
PS: Für Nicht-KennerInnen: Pétanque oder Boule ist das Spiel, das im deutschsprachigen Raum unter dem Namen Boccia bekannt wurde. Aber Vorsicht: Dieses Wort sollte man Pétanque-SpielerInnen gegenüber lieber nicht verwenden, denn das ist ein völlig anderes Spiel – und immerhin spielen sie nicht mit Plastik-, sondern mit Metallkugeln…
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