„Wer stoppt diese Verrückten?“, fragte der Falter kürzlich angesichts der Anschläge der ETA. Die ZEIT ging sogar so weit, Parallelen zu Anschlägen in Afghanistan zu ziehen. Ja, es ist schwer verständlich, dass mitten in Europa eine Terrororganisation nach wie vor Anschläge begeht, und das auch noch mitten im Urlaubsparadies Mallorca, in dem sich unzählige deutsche und österreichische UrlauberInnen zur Erholung aufhalten. Aber lässt der Vergleich mit den Taliban in Afghanistan die Anschläge von Mallorca wirklich begreifbarer werden?

Er ist es insofern aufschlussreich, als sich beide Gruppierungen des Instrument des Terrors bedienen, um bestimmte Ziele zu erreichen, von denen sie vorgeben, sie würden sie zum „Wohle“ einer bestimmten Gemeinschaft (etwa der BaskInnen dies- und jenseits der spanisch-französischen Grenze) oder einer Idee (etwa des Taliban-Staates) verfolgen.

In beiden Fällen geht es um Macht – und im Falle der ETA ging es tatsächlich einmal um die Freiheit. Es ist bei allen Parallelen, die man bei Terrorismus ziehen kann, dennoch wichtig, nicht die Ursachen aus dem Blick zu verlieren und zeigt sich, wie wenig aufschlussreich der Blick nach Afghanistan ist. Was auf Mallorca passierte, ist nicht, wie Willeke es meint, die Ankunft des Kriegs des 21. Jahrhunderts auf Mallorca.

Der Krieg, den die ETA führt, ist vielmehr ein Relikt aus dem 20., wenn nicht gar 19. Jahrhunderts. Ersteres, weil sie in der Franco-Zeit gegründet wurde, um gegen die Unterdrückung der BaskInnen im faschistischen Spanien und im Namen des spanischen Faschismus zu kämpfen, der alle regionalen Besonderheiten (im Übrigen auch den katalanischen Charakter Mallorcas) auszumerzen trachtete. Zweiteres, weil die ETA ein Produkt des baskischen Nationalismus ist, wenn auch linker Prägung.

Insofern stimmt Willekes Interpretation der Aussagen des zitierten Kellners: Es is, so unglaublich es klingen mag, „ein Rest von separatistischem Furorin einer Zeit der Großkonflikte“. Sehr treffend Willekes Reaktion: Die Attentäter von Mallorca (oder vielmehr die ETA-Terroristen) meinten den spanischen Staat, nicht „uns“, die ausländischen TouristInnen.

Gott sei Dank?  Nein, denn die ETA-Terroristen nehmen in Kauf, dass auch Unschuldige sterben – und sie machen Menschen zu Geiseln des spanischen Staates, den sie bekämpfen, als sei er nach wie vor eine faschistische Diktatur. Dem jedoch ist schon lange nicht mehr so, vielmehr genießt das Baskenland eine großzügige Autonomie: Selbst Steuergelder werden von der Regionalregierung eingenommen, längst ist die baskische Sprache nicht mehr verboten, sondern wird an Schulen gelehrt, es gibt baskische TV- und Radiostationen sowie Zeitungen, zweisprachige Ortstafeln, usw.

Und: Das Baskenland ist eine der reichsten Regionen Spaniens. So mutet es bizarr an, wenn in Irun in einer alternativen Bar auf Plakaten Parallelen zum ANC gezogen werden und sich die junge Gäste mit Jugendlichen aus dem Townships identifizieren. Die Welt der ETArras und ihrer AnhängerInnen mutet bisweilen bizarr an, nichts desto trotz ist der Konflikt nicht gelöst (siehe „Logik und Unlogik des baskischen Konflikts“).

Erstaunlich ist vor allem, wie schlagkräftig die ETA weiterhin zu sein scheint – und das, obwohl den spanischen und französischen Behörden bedeutende Erfolge im Kampf gegen die TerroristInnen errungen haben.

Willeke schreibt ganz richtig: Man muss sensibel sein für die Idee dahinter – das ist jedoch nicht die Freiheit, sondern es sind andere. Aber es ist die Freiheit und Unversehrtheit des menschlichen Lebens, die die TerroristInnen angreifen und verletzen.

Ja, auch „wir“ sind gemeint, auch wenn die ETA stets versichert, keine „unschuldigen“ ZivilistInnen treffen zu wollen. Wie naiv dies ist, zeigte nicht zuletzt der Anschlag am Flughafen von Madrid. Denn natürlich kann bei einem Anschlag immer jemand getroffen werden. Daher kann man bei aller Sensibilität für den baskischen Konflikt auch nicht davon abrücken, den Terror zu verurteilen – und dies auch von den politischen VertreterInnen der Separatisten wie Arnaldo Otegi zu verlangen.

Doch der Blick nach Afghanistan hilft nicht, greifbarer zu machen, was auf Mallorca passiert ist. Denn es bleibt unbegreifbar, dass die ETA weiterhin mit den Mitteln des Terror das Ziel eines unabhängigen Baskenlandes verfolgt – ein Ziel, für das es im Baskenland längst keine Mehrheit mehr gibt und das im Europa von heute völlig anachronistisch ist.