Yann Barthès sollte mit seiner Einschätzung Recht behalten: Nicolas Sarkozy und Francois Hollande haben sich in der Tat in der Luft zerrissen. Das große TV-Duell zwischen Sarkozy und Hollande war mit Spannung erwartet worden, immerhin trauten viele dem amtierenden Präsidenten Sarkozy zu,  seinen Herausforderer Hollande dabei an die Wand zu spielen – und damit möglicherweise seinen Rückstand in den Umfragen aufholen zu können. Nicht umsonst hatte dieser drei TV-Duelle gefordert, was von Hollande  abgelehnt worden war.

So saßen denn auch 17 Millionen ZuseherInnen vor den Fernsehern, um diesem Showdown beizuwohnen. Schon nach wenigen Minuten war klar, dass dies in der Tat ein hartes Duell werden würde. Fast drei Stunden lang stritten die beiden Kandidaten für die Stichwahl am Sonntag über Themen angefangen von der Wirtschafts- und Sozialpolitik über die EU, das heiß umkämpfte Thema Migration, Atomkraft bis hin zur internationalen Politik.

Für viele überraschend war das souveräne und zugleich angriffslustige Auftreten von Hollande – und wie schnell Sarkozy in die Defensive geriet. Wie schon in einer Fernsehsendung in der Vorwoche, bei der sich die beiden Kandidaten hintereinander den Fragen der JournalistInnen gestellt hatten, vollzogen die beiden auch am Mittwoch wieder einen skurrilen Rollenwechsel: Während sich Hollande presidentiell gab, trat Sarkozy eher wie ein Herausforderer auf als wie ein „président sortant“, also als scheidender Präsident. Sarkozy stilisierte sich über weite Strecken zum Opfer – eine Rolle, aus der er nur noch sehr schwer herauszukommen schien. Immer wieder warf er Hollande vor, Lügen zu verbreiten, bis er ihn schließlich Verleumder nannte (einen kleinen Zusammenschnitt gibt es auf der Homepage der Libération zu sehen).

Hollande gelang der Wechsel zwischen verschiedenen Rollen deutlich besser und er attackierte die Bilanz von Sarkozy, der zusehends in die Defensive geriet. Immer wieder verstrickten sich die beiden in einen Krieg der Zahlen, doch hier war für Sarkozy nur wenig zu gewinnen, denn gerade in Bezug auf die Wirtschaft sieht die Bilanz seiner Amtszeit alles andere als rosig aus. Heiß her ging es wie befürchtet beim Thema Migration: Parallelgesellschaft, Islam, Burka – es fehlten nur wenige Stichworte. Vor allem Sarkozy schien hier bei den FN-WählerInnen punkten zu wollen, aber auch Hollande, wenn auch weitaus weniger aggressiv als sein Konkurrent.

Unterm Strich war das Duell ein Punktesieg für Hollande, der sich in der Debatte nicht nur behauptete, sondern Sarkozy auch noch deutlich in die Enge trieb. Für Schmunzeln sorgte Hollandes Beschreibung, wie er das Präsidentenamt anlegen wolle: Ganze 16 Mal leitete er diese mit den Worten „Moi, Président“, „Ich, als Präsident“ ein (den gesamten Wortlaut auf Deutsch hat der Spiegel dokumentiert). Inzwischen kursiert im Internet ein Remix dieser Passage, hinterlegt mit dem Lied „Moi j’ai pas“ des französischen Rappers Soprano.

Im Resumée des TV-Duells waren sich die KommentatorInnen weitgehend einig: Das TV-Duell wäre für Sarkozy die letzte Chance gewesen, das Ruder endgültig rumzureißen, was ihm jedoch nicht gelungen ist. Der Großteil der KommentatorInnen sah entweder Hollande als Sieger oder ein Unentschieden.

Eine Watsche erhielt Sarkozy am Donnerstag: Der Zentrumskandidat Francois Bayrou, der seine verschärfte Linie nach dem 1. Wahldurchgang erst kürzlich „obszön“ bezeichnet hatte, erklärte Hollande wählen zu wollen. In seinem siebenminutigen Statement fand er zwar auch kritische Worte für Hollande, insbesondere für dessen wirtschaftspolitische Pläne. Zugleich aber ging er hart mit Sarkozy ins Gericht: Dieser habe sich geradezu auf Verfolgungsjagd nach der extremen Rechten gemacht und dies widerspreche jenen Werten, an die er und seine ParteikollegInnen „im Tiefsten unseres Inneren glauben“. Bayrou spricht von „Besessenheit“ in Bezug auf die Themen Migration und Grenzen. Mit seinen nationalistischen Forderungen würde Sarkozy nicht nur die europäische Einigung verneinen, Bayrou wirft ihm gar vor, mit seiner harten Haltung im Widerspruch zu den Werten des Gaullismus zu stehen. Die Reaktion aus dem Sarkozy-Lager folgte prompt: Man warf dem Zentrumsliberalen  Verrat vor.

Nachdem auch Marine Le Pen am 1. Mai angekündigt hatte, weiß zu wählen, scheint Sarkozy nun ziemlich schlechte Karten zu haben. Umfragen geben ihn weiterhin geschlagen – doch diese hatten ihn auch im ersten Wahlgang unterschätzt, insofern bleibt nur, das Votum der FranzösInnen am Sonntag abzuwarten. Meine Einschätzung: Es wird ein verdammt knappes Ergebnis werden.

Links:

Zeit: „Wer den Franzosen die Angst nimmt, gewinnt“

DER STANDARD: „Eine Zeitbombe, die erst nach jünf Jahren explodieren könnte“

Spiegel: „Verachtung und Abscheu“

Süeddeutsche: „Sarkozy provoziert, Hollande schießt zurück“

„Im Kanzleramt schwindet die Angst vor Hollande“

(Dieser Artikel erschien auch auf www.paroli-magazin.at)