Es war geradezu skurril, was sich gestern im französischen Fernsehen abspielte oder besser gesagt eben nicht abspielte. Auf dem Programm von France2 stand die Sendung „Des paroles et des actes“, „Von Worten und Taten“. Geladene Gäste: Die beiden Kandidaten für die Stichwahl Francois Hollande und Nicolas Sarkozy. Doch es war nicht das eine große TV-Duell zwischen den beiden, vielmehr sollten sie hintereinander sprechen. Per Los wurde die Reihenfolge bestimmt.
Dieses Los entschied sich für Hollande als Nummer eins und so ließ sich der sozialistische Kandidat im Studio nieder, während Sarkozy hinter den Kulissen auf seinen Auftritt wartete. Damit war für den für Hollande unangenehmen Einstieg bereits gesorgt. Ob nicht sein großer Wahlkampfslogan „le changement“, also die Veränderung sei, fragte der Moderator. Wie passe das damit zusammen, dass er sich ausgerechnet bei dem Vorschlag Sarkozys, mehrere TV-Duelle zu machen? Wie nicht anders zu erwarten war, fiel die Antwort von Hollande eher bemüht aus: Er sei dafür, dass es eine große Diskussion gebe, die in die Tiefe gehen und alle Themen behandeln soll. Die Nachfrage, ob dies nicht eher ein Argument für mehrere Diskussionen sei, blieb ihm erspart, auch wenn ihn der Moderator ordentlich unter Druck setzte. Hollande blieb standhaft bei seiner Entscheidung.
Die nächste Frage sollte ihn dann ordentlich ins Schleudern bringen: Was er von der Aussage halte, in Frankreich würden zu viele MigrantInnen leben. Sichtlich bemüht, Front National-WählerInnen nicht abzuschrecken, führte Hollande einen wahren Eiertanz auf, der taktisch nur schwer nachvollziehbar ist. Immerhin scheinen seine ausweichenden Antworten wohl kaum dazu geeignet zu sein, FN-Leute anzusprechen, sehr wohl aber könnten sie WählerInnen auf der anderen Seite des politischen Spektrums abschrecken. Nicht weit weg war da auch der Gedanke: Kein Wunder, dass er sich nicht auf mehrere TV-Debatten mit Sarkozy eingelassen hat. Kurz: Ein missglückter Einstieg, von dem sich Hollande nur langsam, aber doch erholte. In seinem Element schien er, als es um wirtschaftspolitische Themen ging und ab dann ging es dahin.
Was für Hollande unangenehm war, war für Sarkozy der perfekte Einstieg. Sichtlich zufrieden bedauerte der Amtsinhaber, nicht mit Hollande direkt sprechen zu können – der WählerInnen wegen, für die das vielleicht wichtig gewesen wäre, versteht sich. Zur Höchstform lief Sarkozy auf, als es um seine offensichtlichen Lieblingsthemen ging, ob Sicherheit oder Migration. Er wurde nicht müde, die – bereits mehrfach dementierte – Behauptung zu wiederholen, wonach der umstrittene Religionsgelehrte Tariq Ramadan eine Wahlempfehlung für Hollande ausgesprochen habe.
Doch auch für Sarkozy gab es Durststrecken: Kleinlaut gestand er ein, dass die Formulierung von der „echten Arbeit“, die er am 1. Mai feiern möchte, missglückt sei. Auch bestätigte er, nicht in Fukushima selbst gewesen zu sein. Und er entschuldigte sich für einen UMP-Politiker, der Valérie Trierweiler, die Lebensgefährtin von Hollande, spöttisch „Valérie Rottweiler“ genannt hatte. Hier kam denn auch der skurrilste Teil seines Auftritts, denn in diesem Zusammenhang erklärte er: „Wenn man verliebt ist, wie das der Fall bei Carla und mir ist.“ Dann hielt er verliebt grinsend inne, bis er sich offenbar wieder besann, auf welchem Podium er da saß: „Und von Monsieur Hollande und Madame Trierweiler…“
Das Resümee der JournalistInnen, die im Anschluss die Diskussion analysierten: Die beiden hätten einen Rollentausch vollzogen, Hollande sei wie ein Präsident aufgetreten, Sarkozy wiederum als Kandidat oder Herausforderer. In der Tat wirkte Sarkozy sehr herausfordernd, während Hollande sich sehr ruhig gab. Eine kleine Ergänzung jedoch: Als es um seine Bilanz ging, musste Sarkozy natürlich in die Rolle des Präsidenten schlüpfen – und in dieser zeigte er sich zum Teil äußerst grantig ob der kritischen Fragen zu seiner Amtszeit.
Viel Neues aber brachten diese beiden Interviews nicht. Über weite Strecken wurden Textbausteine wiederholt, die in den vergangenen Wochen und Tagen zur Genüge auf und ab gebetet worden waren. Die Neuigkeit des Abends, meinte ein Journalist der Zeitung „Les Echos“ auf Twitter: Die Namen der potenziellen Premierminister, nämlich Jean-Marc Ayrault auf Seiten von Hollande, Alain Juppé auf Seiten von Sarkozy.
Mein Resümee der Diskussion: Aus ihr ging weder ein eindeutiger Favorit noch ein eindeutiger Verlierer hervor. Dies wäre für Sarkozy deutlich wichtiger, doch überzeugend schien mir sein Auftritt nicht. Offen ist vor allem, ob seine Taktik, sich im Werben um die FN-WählerInnen noch ein Stückchen weiter nach rechts zu bewegen, bei eben diesen WählerInnen ankommt.
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