Einmal pro Woche geht der „muslimische Podcast“ des Guardian muslimischen Themen nach – auch solchen, die nicht allen gefallen. (Ein Artikel für derStandard.at)

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„Ich distanziere mich von den Anschlägen in Glasgow und London, auch wenn ich absolut nichts mit den Verdächtigen gemein habe. Ich komme aus Pakistan, da regnet es sehr viel. Deshalb möchte ich betonen, dass ich nichts mit den Überschwemmungen in Nordengland zu tun habe. Ich habe Brüste und bin außerdem noch Journalistin, weshalb ich mich von der Nackten auf Seite Drei der „Sun“ distanziere.“

Mit Humor und einer Prise Provokation ging die britische Journalistin Riazat Butt vergangene Woche in ihrer Sendung mit dem wichtigsten innenpolitischen Thema in Großbritannien um, nämlich die versuchten Anschläge von Glasgow und London. Unter dem Label „Islamophonic“, im Gegensatz zu „Islamophobic“, gestaltet Butt jede Woche für die Online-Ausgabe des Guardian einen „muslimischen Podcast“.

Provozieren, aber nicht um der Provokation willen“

Angesprochen auf ihre klare Ansage in der letzten Sendung gesteht die Journalistin ein: „Ja, ich möchte schon ein bisschen provozieren. Aber nicht um der Provokation willen.“ Sie wolle niemandem ihre Meinung aufdrängen, sondern vielmehr ihre Zuhörer dazu animieren, sich Dinge von einem anderen Blickwinkel anzusehen: „Ich möchte gerne viele verschiedene Argumente bringen, viele verschiedene Menschen zu Wort kommen, und zwar auch solche, mit deren Meinung nicht jeder einverstanden sein wird.“

Am 24. Januar ging die erste Sendung „on air“ oder besser gesagt „online“. Rund 20.000 ZuhörerInnen hat die rund 20-minütige Internet-Radiosendung inzwischen, und zwar sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime. Nachhilfestunde in Sachen „Islam“ soll es aber keine sein, sondern ein spezielles Angebot für MuslimInnen, die in Großbritannien leben“, beschreibt Butt die Idee, die am Anfang von Islamophonic stand.

Breite Palette an Themen

Zwar gebe es verschiedenste Webseiten, die sich mit Nachrichten oder spirituellen Themen beschäftigen. „Aber wir wollten etwas, das zeitgemäßer ist und sich mit aktuellen Ereignissen beschäftigt“, erzählt sie. Der Ritterschlag für Salman Rushdie wird daher ebenso behandelt wie muslimische Musik und Literatur oder die Tradition von Wasserpfeifen-Bars. Aber auch umstrittenere Themen wie Radikalismus und Sex oder Islam und Alkohol gehören durchaus zum Repertoire der Sendung.

Wer so offen auch Tabu-Themen anspricht, hatte in der Vergangenheit mitunter mit scharfer Kritik zu kämpfen. Daher äußerte Butt noch im Januar die Befürchtung, sie könne als „Feindin des Islam“ gebrandmarkt werden. „Schließlich sind die Menschen sehr hellhörig geworden, wenn es um den Islam geht. Viele haben das Gefühl, dass man überhaupt keine Kritik üben darf.“

„Das nervt mich richtig“

Zugleich ist sie geradezu enttäuscht, dass sie mit manchen Themen nicht für mehr Aufregung gesorgt hat, ist es doch genau ihr Ziel, Debatten anzuregen. „Ich hätte mir erwartet, dass ich spätestens mit der Sendung Probleme kriegen würde, in der ich mit ehemaligen Muslimen gesprochen habe. Aber nichts ist passiert, das nervt mich richtig“, erzählt sie schmunzelnd.

Ob Kontroversen bislang nur ausgeblieben ist, weil der Podcast nur eine kleine Öffentlichkeit anspricht, oder ob die Aufregung bei manchen Debatten nur hochgespielt wurde, das will die Journalistin nicht beurteilen. Zu kritisch über den Islam berichten will sie in jedem Fall ebensowenig, wie sie so tun möchte, als gebe es keine Tabus, über die man diskutieren müsse: „Diese Dinge passieren: Muslime kehren ihrer Religion den Rücken zu, sie haben Sex, ja sie trinken sogar Alkohol oder nehmen Drogen. Für viele Muslime sind das wichtige Themen, mit denen sie in ihrem alltäglichen Leben konfrontiert sind. Warum also nicht darüber reden?“

Vielfalt als Vorbeugung gegen Missbrauch

Zugleich ist sie sich der Gefahr bewusst, dass Vorurteile von Menschen bestätigt werden könnten oder sie gar von der falschen Seite missbraucht werden könnte: „Ich denke, dass der Podcast eine große Vielfalt an Themen abdeckt, so dass ich nicht Gefahr laufe, irgendeiner Fraktion in die Hände zu spielen.“

Auch dass im Guardian Themen an den Podcast abgeschoben werden könnten, will sie nicht stehen lassen. „Der podcast ist sehr spezialisiert, er ist wirklich ein Nischenprodukt.“ Ihrer Ansicht nach wird die Gefahr einer „Ghettoisierung“ übertrieben: „Er ist schließlich nur ein ganz kleiner Teil des Angebots des Guardian: Er ist einer von insgesamt zehn oder elf Podcasts, die wir jede Woche machen“, betont sie.

Vorteil des Online-Mediums

Zugleich sei er natürlich ein vollwertiger Bestandteil des Online-Guardians. Genau die Eigenschaften eines Online-Mediums würden viele Vorteile bringen, schließlich könne man viele Themen nicht in der Zeitung aus Platzgründen bringen. Als Beispiel nennt sie die aktuellen Ereignisse in Großbritannien: „Wir waren in der Zeitung so beschäftigt mit den Anschlägen und den damit zusammenhängenden politischen Ereignissen. Dann kam noch die Freilassung von Alan Johnson (dem in Gaza als Geisel gehaltenen BBC-Reporter) dazu. Da fehlt einfach manchmal der Raum für Debatten, die aber sehr wohl geführt werden müssen“, ist Butt überzeugt.

Aber es gebe noch einen ganz anderen Vorteil, denn die besondere Qualität des Podcasts liegt ihrer Meinung nach darin, dass sie Diskussionen vertiefen oder weiterführen könne. Gerade die letzte Sendung sei ein Beispiel, wie sehr sich die beiden Formate ergänzen können: Sie wurde auf einen möglcihen Gesprächspartner für den podcast durch ein Interview aufmerksam, das der Blogger und Sprecher der „Muslimischen Organisationen“ in Schottland, Osama Saeed, der Zeitung zum Thema gegeben hat. „Ich habe dann einen Satz aus diesem Interview als Basis für die Diskussion im Podcast verwendet, in der ich die Frage diskutierte ‚Warum müssen Muslime immer zu den Handlungen von Menschen Stellung nehmen, die sie gar nicht kennen?'“

Im Podcast hatte Saeed Gelegenheit, seine Position ausführlicher darzulegen. Ihrem Anspruch treu, verschiedene Positionen und Themen zu behandeln, ging es denn in der Sendung eben auch um zwei ganz andere Themen, nämlich um „City Circle“, eine Gruppe, die sich für die Entwicklung eines besonderen britisch-muslimischen Identität einsetzt, sowie die Arbeit der „Föderation muslimischer Studentengruppen“. Schließlich wird das Leben britischer Muslime von mehr Themen geprägt als nur von Anschlagsversuchen von Islamisten.

Links:

„Islamophonic. the Guardian’s new podcast on all things Muslim.“
„Muslim, but not guilty“ Von Riazat Butt
„Islamophonic. As opposed to Islamophobic“ Von Riazat Butt