ÖH erinnert bei Veranstaltung an den „Fall Borodajkewycz“ – Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina, der die antisemitischen Äußerungen des Uniprofessors mitschrieb, berichtet als Zeitzeuge.

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Eine Geschichte-Vorlesung in Sachen „Antisemitismus an Österreichs Universitäten“ und (missglückte) Entnazifizierung fand diese Woche an der Uni Wien statt: Unter dem Titel „40 Jahre nach dem Übergriff“ hatte die ÖH eine Veranstaltung über den „Fall Borodajkewycz“ organisiert. Als Zeitzeuge geladen war Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina (SPÖ), der in den 60er Jahren Student des umstrittenen Professors Taras Borodajkewycz war und dessen Mitschriften von den Vorlesungen die antisemitischen Äußerungen des Professors belegten. Ins Rollen gebracht hatte die Affäre Präsident Heinz Fischer, der in einem Artikel in der „Zukunft“ kritisiert hatte, dass Borodajkewycz an der Uni lehren dürfe.

„Nur die Spitze eines Eisbergs“

„Borodajkewycz war nur die Spitze eines Eisbergs“, schilderte Lacina die politische Stimmung an der Universität für Welthandel, der heutigen Wirtschaftsuniversität Wien, zu Beginn der 60er Jahre. „In Fischers Artikel wurden viele Professoren erwähnt, aber nur Borodajkewycz hat geklagt.“

Lacina spitzte seine Beschreibung weiter zu: „Man hatte damals die Auswahl zwischen verschiedenen Fraktionen der faschistischen Ideologie: Der damalige Rektor, berichtete Lacina, war einer der Autoren des Korneuburger Eides, jenes Dokuments, in dem sich die Heimwehren zum Faschismus bekannten.

Aber auch in der Studierendenvertretung war der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) damals noch ausgesprochen stark: „Der Wahlblock (Vorgängerorganisation der Aktionsgemeinschaft) stellte damals die Mehrheit der Mandatare im Hauptausschuss (jetzt Universitätsvertretung, Anm.) an der Uni für Welthandel, der RFS ein Drittel und der VSStÖ hatte einen Mandatar, nämlich mich“, so Lacina. Wie sehr Borodajkewycz und seine Einstellungen auch bei den Studierenden unterstützt wurden, zeigte eine Ausgabe der Zeit im Bild, die im Rahmen der Veranstaltung gezeigt wurde.

Unterstützung der Studierenden für Borodajkewycz

Darin wurde von einer HörerInnenversammlung berichtet, bei der Borodajkewycz seine Äußerungen verteidigte. „Das bedrückende daran ist, wie die Studierenden damals reagiert haben“, bemerkte der Grüne Abgeorgndete Karl Öllinger, der die Veranstaltung moderierte, vor Beginn der Ausstrahlung: Applaus zur Aussage von Borodajkewycz, er sei freiwillig der NSDAP beigetreten, Gelächter im Saal, als er den Namen Rosenzweig nennt, damals Anwalt von Heinz Fischer, sowie als er seine antisemitischen Äußerungen verteidigte. Auch der damalige ÖH-Vorsitzende (Wahlblock) distanzierte sich nicht von Borodajkewycz.

Erster politischer Tote der Zweiten Republik

Die Affäre Borodajkewycz erreichte ihren Höhepunkt, als am 31.3.1965 der ehemalige KZ-Häftling und Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von dem Rechtsextremisten Günter Kümel niedergeschlagen wurde und nur wenige Tage später seinen Verletzungen erlag und die Republik somit ihren ersten politischen Toten der Nachkriegszeit beklagte.

„Bezeichnend ist für mich, dass der Täter nicht wegen Totschlags, sondern wegen Notwehrüberschreitung verurteilt wurde“, kritisierte Öllinger. Dabei sei Günter Kümel schon davor mehrmals einschlägig auffällig geworden, auch bei der Polizei: Schon als Jugendlicher war er Mitglied des Bundes Heimatlicher Jugend, nach deren Verbot und mit Studienbeginn trat er dann dem Ring Freiheitlicher Studenten bei und wurde Mitglied in der Burschenschaft Markomannia und der Olympia.

Das Paradoxe sei, so Öllinger, dass die Burschenschafter, die in den 60er Jahren noch sehr stark waren, „über den Umweg der Unirate heute an die Unis zurückgekehrt sind, obwohl sie eigentlich keine gesellschaftliche Relevanz mehr haben.“ (Von Sonja Fercher, derStandard.at)

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